21. Januar 2023
Die ersten Meilen in 2023

Segeln. Endlich mal wieder. Vier Wochen ist es jetzt her, dass ich das letzte Mal draußen war. Viel zu lange eigentlich, doch vorher passte es einfach nicht. Zu viel Wind, ewiges Grau und kalter Regen wecken nämlich auch in mir nicht unbedingt den Drang raus fahren zu wollen. Nein. Die letzten Wochen verbrachte ich meine freien Nachmittage lieber warm und trocken mit Freunden und Bekannten an Bord und genoss die heimelige Gemütlichkeit meines schwimmenden Wohnzimmers. Bei Kaffee oder Tee einfach plaudern, während die Heizung eine wohlige Wärme verbreitet. Reden und träumen. Über das Leben, über Ideen und Pläne und innerlich dabei realisieren, wie gut es mir im Augenblick gerade geht.

Meinem Motor hingegen geht es aktuell nicht so gut. Seit nunmehr drei Jahren braut sich da was zusammen, was bislang anscheinend auch von Fachkreisen aus nicht richtig diagnostiziert wurde. Bereits eineinhalb Jahre nach Einbau der neuen Maschine tropfte es aus der Seewasserpumpe. Immer wieder mit einer monotonen Beständigkeit. Simmeringe hieß es und diese wurden zügig ersetzt. Ein Jahr später tropft es noch immer. Noch immer in ausdauernder Sturheit. Alle paar Sekunden ein zitternder Tropfen, der im freien Fall auf die Ölleitung trifft, um dann in der Bilge zu verschwinden. Der Bereich um den Impeller beginnt zu rosten. Feuchtigkeit im Motorraum vermutet der Chef. Doch das ist auszuschließen. Mein Boot ist weitesgegend trocken und macht mir in dieser Hinsicht nur selten und auch nur nach extremen Regentagen Schwierigkeiten mit Süßwasser, was durch eine Drainage aus den Backskisten gesogen wird.

Im letzten Jahr kam, nach regelmäßiger Inspektion und Wartung durch den Fachbetrieb, der Impellerdeckel neu. Der Chef persönlich hat sich des Problems angenommen und auch den bereits entstanden Rost an den Leitungen beseitigt. Der erst 2019 eingebaute Motor sah wieder gut aus und glänzte, doch einige Zeit später bemerkte ich erneut rostige Anzeichen an genau den selben Stellen. Ich sah, dass die Tropfen nicht wirklich verschwunden waren und jetzt sogar dicker wurden und öfter wie zuvor sich ihren Weg unbekannten Ursprungs bahnten. Wieder zum Fachmann. Jetzt hieß es, die Welle der Impellerpumpe sei der Übeltäter. Es waren also weder die Dichtung, noch die Simmerringe Schuld am ewigen Tropfen. Die Welle also. Nachdem der Monteur nun an Bord war und das kleine Element ersetzt wurde, sollte endlich Ruhe sein. Doch weit gefehlt, denn es tropft noch immer. Alle drei Sekunden geht bei laufender Maschine nun ein Tropfen auf Reisen. Streift dabei beständig das umliegende Gehäuse, tropft auf Schrauben und Leitungen und hinterlässt weiterhin rostige Spuren auf seinem Weg.

Fahren kann ich trotzdem. Es tropft halt. So zumindest lautet die Aussage des Monteurs. Wohl ist mir nicht dabei, doch heute muss ich wirklich endlich mal wieder los. Ich starte also die Maschine, schmiere die rostigen Stellen mit Fett ein und vertraue auf die Aussage des Monteurs. Fünfzehn Minuten motore ich bewusst langsam aus dem Hafen und setze dann zügig die Segel.

Ruhe. Endlich wieder diese herrliche Stille. Wieder einmal ist nicht wirklich etwas los auf der Flensburger Innenförde. Wieder einmal sind es nicht mal eine handvoll Boote, die ich mit zusammengekniffen Augen in der Ferne ausmache. Wen wundert das? Es ist schließlich Winter und die meisten Boote stehen an Land und liegen in tiefem Wintetschlaf. Es wird noch einige Wochen dauern, bis sie wieder in ihrem Element sind und die Förde sich langsam füllt.

Die Sonne scheint warm herab und der Wind weht beständig mit 12 Knoten aus östlicher Richtung. Es gibt keine Böen und keine nervigen Windlöcher. Auch keine Fischerfähnchen auf die ich acht geben muss und keine Kiter, Surfer oder SUP Fahrer, die meinen Weg kreuzen könnten.

Ich lehne mich zurück, lasse Heinrich den angegeben Kurs halten und genieße mein Hier und Jetzt. Viel zu oft habe ich mich in der Vergangenheit von meinen Wünschen und Erwartungen leiten lassen und fühlte mich so oft überfordert meinen eigenen Ansprüchen aufgrund verschiedener Umstände nicht genügen zu können. Ich habe Träume. Ich habe Ziele, die ich erreichen möchte und ich weiß genau, was ich will. Daran halte ich fest und sobald sich eine reale Möglichkeit bietet meinem Weg zu folgen, werde ich dies tun. Zuvor jedoch bleibe ich hier. Hier auf der Förde. Auf meinem kleinen Schiff.

Carpe diem. Nutze die Möglichkeiten, die dir gegeben sind! Sperre dich nicht ein aus Angst zu Versagen oder weil deine Träume und Wünsche gerade unerreichbar erscheinen. Lass deinem Herzen einfach jederzeit freien Lauf und sieh auf das, was du beteits erreicht hast. Sei ehrlich zu dir selbst. Arbeite an deinen Ängsten, fasse Mut und verwirkliche dein Leben in deinem eigenen Tempo. Ob du nun eine Weltumsegelung machst oder gerade die ersten Schritte auf dem eigenen Boot alleine bewältigst. Es spielt keine Rolle, was rechts und links von dir ist. Gestern war einmal. Und was morgen wird, weiß keiner mit Sicherheit. Doch in diesem Augenblick, in dieser Sekunde, dieser Minute, atme tief ein und sei glücklich. Lebe. Hier und Jetzt. Ja. Carpe diem. Und ja, ich bin glücklich.

Findus rauscht mit fünf Knoten vor sich hin und ein paar mal kreuze ich so die Förde ein stück weit rauf. Ich lasse mir den frischen Wind um die Nase wehen und spüre ein leichtes Stechen auf den kalten Wangen. Es ist schön. Kalt, aber nicht unangenehm.

Ich blicke mich um. Um mich herum ist es strahlend blau und der nahe Küstenstreifen wirkt in seinem faden Grau so unscheinbar, dass ich ihn kaum wahrnehme. Bis hinter die Ochseninseln kreuze ich und möchte wie immer nicht umdrehen. Doch wenn die Sonne erst einmal verschwunden sein wird, wird es schnell kalt sein. Und nicht nur das. Auch die Rutschgefahr an Deck und später auf dem Steg im Hafen wird somit größer.

Nur noch einen Schlag. Und dann noch einen. Jenseits von Schausende kehre ich schließlich mit einer Halse um und steuere nun mit direktem Kurs zurück nach Flensburg.

Der erste kleine Törn in diesem Jahr hat mir die ersten 18 Meilen eingebracht. Fast fünf Stunden war ich draußen. Allein. Und nur für mich.

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