Ein weiteres Jahr ist um und Findus muss mal wieder an Land. Die letzten Törns und Schläge waren quälend langsam und das Segeln, als auch das Fahren unter Maschine zogen sich wie Kaugummi. Das Findus am Ruder und am Skeg mal wieder ein Imperium beginnt zu sammeln, konnte ich bei klarem Wasser bereits vor einigen Wochen weit über die Reling gebeugt sehen.

Doch ganz so wild wie vermutet ist es dann doch nicht und die Muscheln und Pocken am übrigen Rumpf und im unterm Teil des Kiels halten sich auch ziemlich in Grenzen. Schnell hat der Mitarbeiter vom Flensburger Yachtservice mein Boot mit dem Hochdruckreiniger abgespritzt und von den unerwünschten Plagegeistern befreit, sodass Findus sich auf seinem Bock an Land nun ganz zurücklehnen und ich mit der Arbeit beginnen kann.

Vier Tage wird mein Boot nun an Land verbringen müssen. Zeit genug, Findus mal wieder die Pflege zukommen zu lassen, die ich ihm gern öfters geben würde. Den Rumpf waschen und von lästigem Gilb befreien, das Unterwasserschiff mit Antifouling malen und zum Schluss das Freibord polieren und wachsen. Hübsch soll mein Boot wieder aussehen und in neuem Glanz erstrahlen.

Der erste Schritt, noch bevor mein Boot vom Abspritzen trocken ist, ist es, Findus einmal mit Oxalsäure abzurollen. Früher habe ich dafür ein teures, ebenso reine Oxalsäure beinhaltendes, Antigilb aus dem Yachtprodukt-Sortiment genommen. Ein glippriges Zeug, das mit einem Lappen aufgetragen und mit viel Wasser und einem Schwamm wieder abgewaschen werden muss, um die schleimige Konsistenz wieder vom Gelcoat zu entfernen. Doch mittlerweile greife ich auf ein pulverisiertes Produkt zurück, welches, mit Wasser angereichert, einfach per Malerrolle auf die entsprechenden Flächen gerollt wird. Wie von Zauberhand verschwindet das Gilb und nur ein kurzes und wassersparendes Abspülen des Bootes ist nun noch nötig. Auf diese Einfachheit, bloß durch Ändern des Produkts zu einer effektiveren, Ressourcen sparenden und zugleich auch noch weit kostengünstigeren Lösung zum gewünschten Erfolg zu gelangen, hat mich mein Chef auf der Charterbasis während der Winterarbeiten gebracht.

Bereits jetzt sieht Findus von weitem schon wieder um längen besser aus, doch ich habe noch einiges vor. Im letzten Jahr ist mir ein kleines Loch im dem aus Edelstahl gefertigtem Skeg aufgefallen, was ich auf Anraten der ansässigen Fischer mit Flüssig-Metall provisorisch verschlossen hatte. Um diese Stelle möchte ich mich jetzt kümmern und sie ordentlich und längerfristig verschließen. Ich weiß von anderen PD Eignern, dass diese ebenfalls schon mal Wasser im Skeg hatten und neben dem ungewollten Loch ein weiteres tiefer gelegenes gebort haben, damit der Skeg leerläuft, sobald das Boot aus dem Wasser kommt. Ungewöhnlich ist das also nicht und in anbetracht des Alters der in den Siebzigern gebauten Boote auch vollkommen verständlich, dass sich hier und da nun kleine Macken zeigen.

Beim Bearbeiten des Lochs jedoch stelle ich fest, dass sich nebst Salzwasser auch ein mir unbekanntes Gewebe im inneren des Skegs befindet. Bislang war ich davon ausgegangen, dass der Skeg von innen tatsächlich hohl ist. Seit nunmehr sieben Jahren klingt er schließlich hohl und weder Form, noch Geräusche beim Abklopfen haben sich merklich verändert. Auch berichten die dänischen Eigner von diversen PDs allesamt, dass der Skeg innen ausschließlich hohl und mit nichts ausgefüllt sei. Das stark braun färbende Zeugs, was Findus nun freigibt, gibt mir deshalb Rätsel auf.

Beim Mittag treffe ich den Motorspezialisten vorgenannter Charterbasis und erzähle und zeige ihm die Problematik. Er ist überzeugt, es handelt sich um eine Art alte Baufüllung. Seine Empfehlung ist, das Ganze einfach dicht zu machen und gut. Mmhh, so ganz glücklich bin ich mit dieser Empfehlung noch nicht und schnappe mir deshalb ein paar Stückchen der nassen und färbenden Substanz und fahre zu meinem Chef in den Nachbarhafen. Er ist erfahren und kompetent, doch in diesem Fall lässt auch er mich ratlos zurück. Was das ist, was Findus in seinem Skeg hat, kann auch er sich nicht erklären. Doch stochert er solange auf den kleinen Klümpchen herum, so dass wir am Ende beide zu dem Ergebnis kommen, es könnte sich hier um holzige Fasern handeln.

Spontan erschreckt mich dieser Gedanke, denn der Rumpf meines Bootes besteht aus zwei GFK Schichten mit innen liegendem Balsakern. Könnte pröseliges Balsa aus dem Rumpf in den Skeg gelangt sein? Ist dieser eigentlich ein geschlossenes System? Und wie ist der Skeg am Unterwasserschiff befestigt? Er ist unter gebolzt, wie der Kiel, das weiß ich. Aber wie sind diese Bolzen im oder am Skeg fest? Ich habe mir hier noch nie weiter Gedanken gemacht und merke jetzt, dass ich, wider meiner eigenen Meinung, doch nicht genug über mein eigenes Boot weiß.

Zurück auf der Kranbrücke klopfe ich achtern am Boot rum und verliere dabei fast meine eigene Selbstsicherheit. Höre ich da Hohlräume? Kann das Sandwich wirklich rott sein? Nein. Das kann eigentlich nicht sein. Das würde alles einfach genau gar keinen Sinn machen. Gert Gerlach, der zu Beginn der siebziger Jahre die PD als das Beste Schiff seiner Reihe von Drabanten entworfen und bauen lassen hat, wusste was er tut und hat gut durchdachte und langlebige Boote gebaut. Rottes Sandwich im Rumpf habe ich nebenbei auch bisher von keiner der fast 300 PDs in der dänischen Vereinigung gehört. Nein. Diese Fasern können eigentlich nicht aus dem Rumpf in den Skeg gelangt sein. Dennoch spüre ich eine gewisse Unsicherheit, in die sich eine leichte Angst vor einen Verlust des Bootes zu schleichen versucht.

Ich teste die entsprechenden Stellen im Unterwasserbereich mit dem Feuchtigkeitsmessgerät und vergleiche die Daten mit dem Freibord, welches über Wasser liegt. Natürlich ist mir bewusst, dass das Schiff kurz nachdem es an Land kommt erstmal einen hohen Feuchtigkeitsgehalt aufweist, doch Fakt ist, dass das Vorschiff unter der Wasserlinie trockener ist und die Anzeige achtern mehr ausschlägt.

Ich bin erstmal ratlos und in diesem Moment fehlt mir einfach jemand, mit dem ich über meine Feststellungen sprechen und Gedanken austauschen kann. Doch hier auf der Kranbrücke bin ich alleine und weit und breit ist kein Booteigner oder Mitarbeiter der Werft zu sehen. Nachdenklich auf meinem Boot an Land sitzend gesellt sich nun prasselnder Regen und leichtes Donnergrollen dazu und ich verschwinde unter Deck.

Ich muss nachdenken. Im PD Forum fragen, Freunde anpiepen, meine wirren Gedanken entknoten und versuchen irgendeine Logik in diese neuen Tatsachen zu bringen. Nein. Immer wieder nein. Das macht keinen Sinn. Irgendwann, nachdem der kräftige Sommerregen sich wieder beruhigt hat, kommt einer der Kranführer vorbei. Ihn könnte ich fragen, was er davon hält. Immerhin ist er gelernter Bootsbauer. Ein kurzer und kritischer Blick, ein zielloses Klopften hier und da und sein Ergebnis steht fest: „Das ist hinüber. Mach mal wieder hübsch und sieh zu, dass du es loswirst!“. Wie bitte? Schrott? Hinüber? Loswerden? Das hat er doch jetzt nicht gesagt. Ein spitzer und heißer Stich durchfährt mich und ich frage mich leise während des Gesprächs, ob ich jetzt in Tränen ausbrechen oder ungläubig lachen soll. Findus soll sich erledigt haben?

Und wieder schießt mir das Nein durch den Kopf und ich beginne mit einem dünnen Draht weitere kleine Stückchen dieser Fasern aus dem winzigen, ca 0,5 cm kleinen Loch zu popeln. Es dauert eine Weile, bis ich zu einem Ergebnis komme. Holzwolle. Es handelt sich bei dieser Füllung um Holzwolle. Warum auch immer sie sich im Skeg befindet, ist erstmal völlig egal. Einzig entscheidend ist, dass es kein Balsa ist. Ein wenig erleichtert mache ich mich nun daran, mein Boot wie geplant mit Antifouling zu streichen und verdränge die Worte des Bootsbauers. Morgen kommen zwei erfahrene Segler und liebgewonnene Freunde vorbei und werden sich ebenfalls ein Bild von Findus und meinen Gedanken machen.

Ich überlege am kommenden Tag ein zweites Loch in den Skeg zu bohren, um so wenigstens das noch drinnen stehende Wasser rauszuholen, doch mein Stegnachbar, der wie versprochen vorbeigekommen ist, ist da sehr viel prakrischer veranlagt und schraubt kurzerhand einen kleinen Bolzen unter dem Skeg raus, der unter einer Platte sitzt, an der wiederum mein Ruder befestigt ist. Bei solchen Dingen bin ich einfach noch zu ängstlich und in diesem Fall einfach froh über die handfeste und tatkräftige Hilfe.

Das restliche Wasser läuft raus und ich bin jetzt wieder, nur durch die Anwesenheit und die positiv gestimmte Meinung meines Stegnachbarn, sehr viel selbstsicherer und vorallem erleichtert. Findus ist in Ordnung. Das findet auch Carsten. Am Abend kommt ein Freund vorbei und auch er klopft und drückt an Findus‘ Rumpf und Skeg herum und stochert in den beiden Öffnungen des Skegs herum bis erneut einiges an Feuchtigkeit in Form von unaufhörlichen Tropfen auf den Boden plätschert. Bei der Frage, ob mir aufgefallen sei, ob mein Boot tiefer im Wasser läge wie ursprünglich, fällt es mir einmal mehr wie Schuppen von den Augen. Natürlich, wenn Findus wirklich an Gewicht zunehmmen würde, weil Wasser den Sandwichkern durchfeuchtet, dann könnte ich auf Höhe der Wasserlinie die obere Spitze des Ruderblatts nicht mehr sehen. Doch die ist immer über Wasser. So wie es sich bei einer PD gehört.

Polieren gehört für mich zu den Arbeiten, die ich als unliebsam empfinde und doch schenke ich meinem Boot diese Aufmerksamkeit. Schlieren, Dreck und leichte Kratzer bekomme ich weg. Diverse Farbnuancen aber bleiben. Und das dürfen sie auch. Jahrzehntelang haben sich Regenstreifen ihren Weg gebahnt. Findus ist nunmal gezeichnet. Vom „Leben“, von Wind und Wetter und durch Dellen und Ditscher, die er hier und da verpasst bekommen hat. Mein Boot hat eine Geschichte. 45 Jahre ist er jetzt alt und doch wirkt er auf mich so jugendlich und agil und frisch gewachst fühlt er sich obendrein herrlich zart und geschmeidig an.

Nein. Mein Gefühl trügt mich nicht. Mein kleiner ist völlig in Ordnung. Alt und mit Macken, sicherlich. Aber alles andere als schrottreif. Die Feuchtigkeit werde ich künftig im Auge behalten, doch der Rumpf ist fest und die Hohlgeräusche beim Klopfen müssen so gehören. Denn ausschließlich dort, wo Streben und Verstärkungen eingebaut oder zu vermuten sind, klingt der Rumpf „fester“.

Der Skeg weckt nun aber doch mein Interesse und mit der Endoskopkamera erhasche ich einen verschwommenen Eindruck von seinem Inneren. Wie vermutet ist neben dem Hohlraum Holzwolle eingelegt. Oben ist sie trocken und Feuchtigkeit schlägt sich lediglich als Kondensat an den oberen Außenwänden nieder. So langsam beginne ich zu begreifen. Die von Carsten geöffnete Schraube muss zuvor undicht gewesen sein und ein Minimum an Wasser drang ein. Doch konnte keine Luft entweichen und so blieb das salzige Nass lediglich im unteren Viertel stehen.



Das seitliche Loch verschließe ich mit 2 Komponenten Titanium-Knet-Paste und den Bolzen unterm Skeg setze ich eingedichtet mit Pantera wieder ein. Ich hoffe nun, dass meine Arbeit ausreicht, nun kein Wasser mehr eindringen kann und der Skeg als kleine Luftkammer achtern für ein wenig Auftrieb sorgt, wenn Findus bald wieder über die Förde segelt.



Was für ein schönes Schiff. Wenn ich Findus so sehe, dann kann ich mir im Leben kein anderes Schiff für mich vorstellen. Es gibt meiner Meinung nach einfach Dinge im Leben, die so einmalig sind und die so nie wieder kommen können. Meine Liebe zu diesem Boot ist so eine Sache. Hier stimmt einfach alles.

Ich bin froh, das wir die Kranbrücke nun wieder verlassen. Zwar bin ich gerne hier und arbeite am meinem Schiff, doch ein Boot gehört nunmal ins Wasser und nicht an Land.


Immer ein wenig dem Atem anhaltend und darauf hoffen und vertrauen, dass alles gut geht, fiebere ich dem Moment entgegen, wenn Findus‘ Kiel das Wasser berührt. Er schwimmt wieder und wenn er könnte, da bin ich mir sicher, dann würde vor Freude jubeln und jauchzen. Statt seiner freue ich mich und denke bei mir: hier in den Seilen hängen 3,4 Tonnen pures Glück.

Zurück im Wasser teste ich direkt aus, ob und in wiefern Findus sich nun anders im Wasser verhält. Er ist schneller und erreicht wieder seine gewohnten 5,5 Knoten bei Marschfahrt. Auch unter Segeln ist er nun wieder der Alte und zeigt deutlich seine Schokoladenseite. Es ist ein wenig mysteriös, denn mit Pocken im Unterwasserbereich kann ich während des segelns die Pinne loslassen und mein Schiff hält wie von Zauberhand alleine den Kurs. Doch frisch gestrichen haut er ab. Er scherrt einfach aus, wenn ich ihn nicht im Zaum halte. Dabei ist es egal, ob die Segel steuerbord oder backbord stehen, Findus zieht es immer nach steuerbord. Er luvt an, wenn ich auf Backbordbug segle und fällt ab, wenn der Wind von backbord kommt. Ich weiß nicht warum er das tut, doch so ist es jedes Mal, wenn er nach seinen Pflegeeinheiten wieder im Wasser ist. Ich nehme das schon länger einfach so hin und versuche dies unter den Eigenheiten und Besonderheiten abzubuchen, die zu haben mein Schiff dasselbe Recht hat, wie ich es mir auch rausnehme.

Findus schwimmt und segelt. Er saust durch die See und teilt die Gischt zu beiden Seiten. Er springt und rauscht durch die Wellen. Er reitet und schwebt. Seine Segel sind dabei angereichert mit dem Druck des Windes und er legt sich vertraut auf die Seite um sich entspannt und mit einer kühnen Lässigkeit seinen Weg zu bahnen. Kurzum, er ist wieder zurück in seinem Element. Und ich bin es auch….


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