19. Januar 2025
Akzeptanz

Es mag verstehen wer will, doch wer es nicht versteht, dem kann ich das auch nicht begreiflich machen. Und ich möchte das auch gar nicht mehr. Mich rechtfertigen. Mich erklären. Ich erwarte schlichtweg Akzeptanz. Mit mir, meinem Leben und meinem Sein. Mit meiner Liebe, meinen Gefühlen und Gedanken. So unverständlich, abstrakt und durcheinander diese manchmal auch sein mögen, so sind sie doch das, was mich als Mensch ausmacht und was mir wichtig ist. Ja, ich liebe meine schwafelnden Gedanken, meine kitschigen Bilder aus der Natur, von Sonnenauf- und untergängen und meine teilweise konträren Gefühle zu mir und meiner Umwelt. Das alles zusammen bin nämlich einfach ich. So bin ich Mensch und so will ich sein.

Seit Tagen zeigt sich das Firmament heute endlich mal wieder in freundlichem Blau und die Sonne schickt mit aller Kraft ein paar wärmende Strahlen von Himmel herab. Die Temperaturen liegen derweil hier an Bord um den Gefrierpunkt und Findus‘ Deck ist mit einer dünnen Schicht von Raureif überzogen. Es ist ein wenig rutschig auf meinem Schiff, doch es ist schließlich nicht der erste Winter, in dem es mich für ein paar Stunden hinaus auf die Förde zieht.

Die letzten Wochen wollte Findus nicht so recht. Die Lichtmaschine am Motor lud die Batterie nicht mehr und es fehlte mir einfach an Lust und Energie, mich intensiver um dieses Problem zu kümmern. Doch ohne zu wissen, was da wirklich los war, wollte ich auch nicht raus fahren. Das Risiko, was auch immer das Problem war, eventuell zu verschlimmern, hielt mich im Hafen zurück. Doch das eine was man will, dass andere was man dann wohl muss. Ohne dem Ganzen also auf die Spur zu gehen, konnte ich nicht Segeln. Und ohne Segeln zu können, war es mühsam in meine Energie und einen positiven Flow zu kommen.

Die Lichtmaschine war glücklicherweise nicht das Problem. Es war das Trennrelais, welches den Strom auf die Starter- und Versorgerbatterie aufteilt. Aus irgendeinem Grund war es defekt und lud nur noch die Starterbatterie. Einfach so. Ganz plötzlich. Zum Glück konnte ich ein baugleiches Gebrauchtes einbauen und Findus so erstmal wieder zur Vollständigkeit verhelfen. Weitere kleine Baustellen, die sich mir bei näherer Betrachtung der Maschine und der Elektrik offenbarten, werde ich in den nächsten Monaten dann wohl mal angehen müssen.

Raus muss ich jetzt aber dringend mal wieder. Seit Tages spüre ich, wie unliebsame Emotionen versuchen in mir aufzukeimen und mir jegliche Energie, die in der dunklen Jahreszeit ohnehin spärlicher gesät ist, rauben wollen. Meine Gedanken über das Leben und das Sein, über ein Miteinander und die Liebe, wiegen nicht immer leicht. Sie zum Schweigen zu bringen jedoch käme einer Verleugnung meiner selbst gleich, weshalb ich ihre Schwere nicht ausschließlich als wirkliche Last empfinde, sondern sie jederzeit gern einlade und willkommen heiße. Ich akzeptiere was ist und was sich nun einmal leider nicht ändern lässt. Zumindest versuche ich das. Die Zeit an Bord, auf See und im Einklang mit der Natur erdet mich dabei und schenkt mir neue Kraft.

Die See, ob vor der Haustür auf der Flensburger Innenförde oder weit draußen ohne jegliches Land in Sicht, spiegelt für mich oft das Leben in all seinen Facetten wider. Heute Morgen zum Beispiel, ich hatte die Augen noch fest geschlossen und war gerade erst beim Aufwachen, da kreisten meine Gedanken bereits um den unerreichbaren Horizont und das hinter mir liegenden Kielwasser.

Es ist irgendwie verrückt, denn der nautische Horizont, dessen Anblick ich so liebe, er wird auf ewig unerreichbar bleiben. Ich werde nie erfahren, was hinter ihm liegt und nur meine blühende Phantasie erzählt mir heimlich und fortwährend die abendeuerlichsten Geschichten. Sobald ich ihm jedoch etwas näher komme, rückt er erneut ein Stückchen weiter und die Distanz zwischen uns bleibt immer gleich. Alles was sich jenseits seiner Grenze befindet, bleibt so außerhalb meiner Reichweite. Das wiederum bedeutet, ein Boot was größer und schneller ist, mit dessen Eigenschaften mein kleiner Findus nie wird mithalten können, wird früher oder später hinter der Kimm verschwinden und von da an für mich verschwunden bleiben. Zurück bleibe ich mit den vorübergehend geteilten Erfahrungen und Erlebnissen mit jenen, die aufgrund ihrer Möglichkeiten schneller einen Weg beschreiten, der im gemäßigtem Tempo für mich noch vor mir liegt.

Es ist wie mit den Menschen, die ich im Laufe des Lebens kennenlerne. Mit denen ich vielleicht ein Stück des Weges gemeinsam gehe, bevor sie an mir vorziehen und in der Ferne immer kleiner werden und schließlich aus meinem Leben verschwinden. So wie andere möglicherweise mir nicht hinterher kommen und hinter mir abfallen. Die meisten Menschen begleiten sich gegenseitig nunmal nur für eine vorübergehende Zeit.

Ich bin schon weit gekommen. Auch seglerisch in den letzten acht Jahren. Ich habe mittlerweile um die 10.000 Seemeilen im Kielwasser. Einerseits klingt das in meinen Ohren nach verdammt viel. Trocken betrachtet ist es nicht mal eine halbe Weltumsegelung. Doch mit wem oder was versuche ich mich bei solchen Gedanken zu messen? Doch ich muss zugeben, es fällt mir nicht unbedingt leicht, Träume Träume bleiben zu lassen. Denn während ich mich umsehe und realisiere, dass es eine wirkliche Chancengleichheit niemals wird geben können, nagt eine Sehnsucht in mir, die ich aufgrund unterschiedlicher Faktoren nicht stillen kann. Wieder hallt es wie ein Echo in meinem Kopf. Akzeptanz. Und direkt dahinter ein zweites Echo. Dankbarkeit.

Ja, ich versuche im Hier und Jetzt zu bleiben und schiebe den Horizont und die aktuell nicht erreichbaren Seemeilen und auch Träume zur Seite. Was für ein herrlicher Tag heute. Sonne, Meer und Glitzerwasser. Kein Horizont, keine Illusionen. Dafür die Realität in der ich existiere. Meine Wirklichkeit. Mein Leben. Mein Sein. Und meine persönliche Freiheit.

Welch kostbare Güter. Welch eigentlicher Luxus. Unbezahlbar und weit entfernt vom materiellen Konsum unserer schnelllebigen Zeit. Unabhängig und selbstbestimmt. Was braucht es mehr, um Frieden in sich selbst zu finden? Und ist Frieden in und mit sich selbst nicht sogar die Grundlage für Frieden im Außen und somit im Miteinander und auf der Welt?

Der Gedanke an Frieden und Freiheit führt mich unwillkürlich zu einem kurzen Abstecher in die politischen Abgründe der hiesigen Zeit. Ein inneres Kopfschütteln durchfährt mich. Unverständnis, unendliche Warums und noch mehr Fragezeichen der vielen unbeantworteten Fragen bleiben zurück. Ich bin kein Verfechter von kurzzeitiger Symptombehandlung, ich suchte schon immer eher nach dem Fehler im System. Für mich gibt es auch hier langfristig nur eine Lösung. Back to the roots. Doch nicht zu einem Gestern oder Vorgestern war alles besser, sondern ein Zurück zum Ursprung. Zu uns Selbst nämlich. Die Natur erleben und respektieren, sich einander lieben und wertschätzen und letztlich authentisch und ehrlich sein. Auch mal schwach und verletzlich. Emotionen zulassen. Nicht nur die guten. Hierzu fehlt sicher oft nicht nur die eigene Akzeptanz, sondern oft auch die unserer Mitmenschen.

Hier draußen bekomme ich meinen Kopf frei. Komme zu mir. Zu meinem Kern. Meinem Selbst. Hier draußen kann ich zumindest für den Moment ungehindert Denken und vor mich hin philosophieren. Ich kann schwafeln und schwadronieren und Selbstgespräche führen. Engelchen und Teufelchen melden sich dabei zu Wort. Gefühle und Verstand werfen ihre Positionen in den Ring. Und während all das in meinem Kopf stattfindet, komme ich zur Ruhe und tanke Kraft und Energie für die nächste Aufgabe, die nun wieder vor mir liegt.

Ich bin. Immer wieder ich selbst. Hier und Jetzt.

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