2. August 2024
Begegnungen

Der Morgen beginnt bereits um 4:47 mit Vogelgezwitscher und ich kann bei ihrem Gesang nicht umhin einen Blick nach draußen zu werfen. Noch ist es ein wenig dunkel, doch der herannahende Tag zeigt sich bereits in zarten Farbtönen zwischen Himmel und Erde. Was für ein wunderschönes Bild. Man sieht es nicht nur, man hört auch förmlich die Stille, die von diesem Bild ausgeht.

Noch ist es frisch draußen, doch ich sitze bereits im Cockpit und lausche der morgendlichen Ruhe, als plötzlich das Pusten eines Schweinswals im aufgehenden Sonnenlicht erklingt. Welch liebreizender Besuch in der Morgendämmerung des nahenden Tages. Das ist einfach nur Idylle pur und ich bin so dankbar dafür, dies hier gerade erleben zu dürfen.

Hier und da höre ich nur wenig später das leichte Klappern eines Steckschotts oder das Geräusch eines Reißverschlusses, das das Öffnen einer Kuchenbuche anzeigt. Die Menschen in ihren Booten werden langsam wach, werfen einen kurzen Blick nach draußen und verschwinden wieder leise in den Bäuchen ihrer Schiffe. Es ist ein traumhafter Morgen und ich kann es kaum fassen wirklich hier zu sein. Allein, glücklich und zufrieden und im Einklang mit mir selbst. Was gibt es Schöneres? Ich lächle vor mich hin, bevor auch ich mich nochmal in die Koje lege und die Stille weiterhin auf mich wirken lasse.

Doch an Schlaf ist nicht mehr zu denken und eigentlich möchte ich das auch gar nicht. Was soll ich denn noch hier im Hafen? Wozu die Zeit hinauszögern? Ich möchte doch segeln. Möchte raus auf den Lillebælt und sehen, wie das Blau des Himmels jenes der See berührt. Ich möchte den Wellen lauschen und die Sonne auf meiner Haut spüren.

Es dauert deshalb nicht lang und ich verlasse den Hafen von Dyvig. Vorbei an diversen Ankerliegern, durch die Engstelle zurück, entlang der Küste, deren Felder im Sonnenlicht strahlen, lasse ich den Motor laufen. Ich brauche ein wenig Strom, denn die Kapazität meiner Batterie ist nicht sehr groß und im Hafen hatte ich keinen Landstrom um zu laden. Das soll jetzt für  kurze Zeit die Lichtmaschine übernehmen, bevor die Sonne hoch genug am Himmel steht und das Solarpanel für Strom sorgen kann.

Doch nun wird gesegelt. Endlich. Nördlich von Alsen ist noch nicht sehr viel los und die Boote, die nach mir den Hafen verlassen haben, segeln sämtlichst ihren Kurs in Richtung Årøsund und Årø. Seglerisch ganz klar die bessere Wahl, doch ich bin heute verabredet, weshalb es auf direkten Weg mal wieder in die Südsee geht. Dort werde ich einen Tag abwarten bis mein Sohn mit Lille Bjørn nach kommt und wir dann gemeinsam als Flotille in den großen Sommertörn starten.

Was anfangs noch so vielversprechend aussah entpuppt sich nun jedoch mehr und mehr zur Flaute. Drei Knoten Fahrt sind noch im Boot. Dann noch zwei und kurz darauf sogar nur noch einer. Es ist zum Mäuse melken. War der Lillebælt letzte Woche noch so dermaßen aufgewühlt, so liegt er jetzt wie ein Ententeich vor mir und lässt meine Segel in der heißen Mittagssonne nur so schlackern.

Ein leichter Strom ist gegen mich, Wind will nicht wehen und Findus klebt wie ein Kaugummi auf der Stelle. Mache ich so weiter, komme ich rein rechnerisch morgen früh um 4 Uhr im Zielhafen an. Es nützt also nix. Ich werfe mal wieder Harry an und versuche nun alle paar Meilen, soweit die See eine leichte Kräuselung zeigt, ohne Motor und dafür unter Segeln voran zu kommen, bis ich irgendwann aufgebe und beide Segel berge.

Auf Höhe Skjoldnæs habe ich dann endlich doch wieder ein wenig Wind von achtern und zusammen mit dem einsetzenden Strom und der entsprechenden Welle lasse ich Findus unter Vorsegel bis kurz vor den Hafen schaukeln. Wenigstens ein kleines bisschen Ruhe bevor ich anlege.

Doch bevor ich in den Hafen fahre, muss ich kurz warten und eine Schleife drehen. Die „Skjoldnæs“, die ein paar Minuten zuvor in Søby einlief, setzt sich nun rückwärts wieder in Bewegung, um ihre Gäste zum Festland zu bringen. Ich habe die Fähre zwischen Søby und Faaborg im Blick und lasse sie die Hafenein- und ausfahrt zuerst passieren. Ein Blick hinauf zur Brücke und ein freundliches „Daumen hoch“ seitens des Kapitäns zeigen den gegenseitigen Respekt und das unausgesprochene Miteinander auf See.

Wie verabredet treffe ich mich mit Sarah, einer lieben und guten Segelbekannten aus Hamburg, die mit ihrer Familie ein paar Tage durch die Südsee segelt. Wir kennen uns schon lange und sind mal auf ihrem, mal auf meinem Boot gesegelt, doch ein Treffen im Hafen ist aufgrund zeitlicher und privater Gründe immer schwierig zu gestalten. Umso mehr freue ich mich, sie heute hier treffen zu können und Neuigkeiten auszutauschen.

Am Abend bedeckt sich nun der Himmel. Graue Wolken schieben sich zusehends empor und die Sonne hat Mühe sich ihren Weg zu bahnen. Ich habe dennoch Glück und erwische sie gerade noch, bevor sie gänzlich hinter dem Grauschleier verschwindet und den Abendhimmel heute trübe hinterlässt.

Bevor ich zurück an Bord gehe, ruft Leo, der Hafenmeister, noch laut durch den Hafen meinen Namen. Er ist endlich fertig mit seiner Runde und genießt bei „Arthur“ sein Feierabendbier. Kurz setze ich mich auf ein Getränk zu ihm. Morgen wird unser gemeinsamer Morgenkaffee wohl ausfallen müssen, erzählt er mir. Es läuft zu der Zeit Handball im TV und als ehemaliger Spieler und Fan setzt er hier Prioritäten, weshalb wir unser Gespräch dieses Mal auf den heutigen Abend vorziehen.

Durch und durch zufrieden mit mir und mit innerer Ruhe und Glückseligkeit erfüllt, sitze ich im Cockpit und lausche der Atmosphäre des Abends, als jemand plötzlich leise an meinem Bugkorb klopft. Es ist der freundliche Einhandsegler vier Plätze weiter, der am Nachmittag meine Leinen beim Anlegen angenommen hat. Er lädt mich kurzerhand zu einem Sundowner auf sein Schiff ein und gespannt nehme ich die Einladung an.

Timo erzählt mir seine Geschichte und die seiner kleinen „Di Lemmer“. Ich finde es immer spannend zu hören, wie Menschen zu ihren Booten kamen, was sie gemeinsam erleben und wie sie denken und fühlen. Es sind letztlich diese kleine Begegnungen im Leben, die uns eine kurze Zeit miteinander verbinden und den Zauber des Moments leben lassen, um dann wieder zu verschwinden und als nette Erinnerung im Gedächtnis zu bleiben.

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