20. August 2024
Ein Blick zurück

Der Start heute fällt mir schwer. Ich möchte eigentlich gar nicht los und doch muss ich es. Die kommenden Tage ist erneut zu viel Wind für mich angesagt und der Druck in mir, rechtzeitig Richtung Förde zu kommen, wächst. Noch ist zwar etwas Zeit, doch brauche ich entsprechende Wetterfenster und Bedingungen und ich habe Bedenken, dass ich zu weit weg sein könnte und den Rückweg nicht schaffe. Entspannt ist das irgendwie nicht und der Gedanke daran, dort zu segeln, wo ich das ganze Jahr über unterwegs bin, macht mir doch reichlich zu schaffen.

Ein Bekannter meinte mal sowas wie, es sei doch egal, wo ich eine Welle fotografiere, da für den Betrachter nicht ersichtlich sei, wo ich sie aufgenommen habe. Das mag aus dieser Perspektive sicherlich stimmen, doch ich weiß, wo ich mich befinde und ich spüre, dass mein Herz sich nun mal nach etwas anderem sehnt.

Es ist verrückt, doch wo ich oben, nördlich von Sjælland, war, da wollte ich lieber wieder etwas weiter runter. Ich hatte Angst vor den Wellen des Kattegats. Die Strömung, die alte Dünung und die Windwellen dort oben haben mir sehr zugesetzt und mich einiges an Respekt gelehrt. Doch jetzt, wo ich mich bald wieder in vertrauter Umgebung befinde, da sehne ich mich zurück nach oben. Von den Wellen abgesehen war alles so schön dort. Diese offene Weite. Dieses tiefe Blau. Dieses überwältigende Glücklichsein. Ich war angekommen. Wobei, ist das überhaupt möglich? Jemals anzukommen?

Und jetzt? Es geht zurück in die dänische Südsee und somit fast ins Heimatrevier. Verdammt. Ich klinge so furchtbar undankbar. Ich sollte zufrieden sein mit mir und allem, was ich erreicht habe. Doch ich bin es nicht. Während ich gen Süden segle, wird der Kloß in meinem Hals immer dicker und ich habe Mühe, positiv nach vorn zu blicken. Stattdessen blicke ich zurück. Sonnenaufgang auf dem Storebælt. Flaute vor Sjællands Odde. Ewige Weite im Kattegat. Schweden und der Kullaberg. Øresund mit dem Schloss Kronborg. Die Køge Bugt nahezu im Nebel verschwunden und dann die Kreidefelsen der Faxe Bugt. Der berüchtigte, weil untiefe Bøgestrøm. Und letztlich das Smålandfarvandet mit seiner Trauminsel Vejrø. In zwei Wochen habe ich das alleine geschafft. Mein Boot und ich. Mit gutem Segelwind, sowie Sturm, der für Hafentage sorgte. Mit einer Welle, die ich mit Findus so noch nie erlebt hatte und mit quälender Flaute und spiegelglatter See, in der mein Motor viel zu viele Stunden gelaufen ist.

Und jetzt dümple ich hier mit um die zwei Knoten Fahrt langsam immer weiter Richtung Svendborgsund. Mir scheint es fast so, als täte Findus sich ebenso schwer damit, in Richtung Heimathafen segeln zu müssen. Was erwartet uns dort? Der Gedanke an das alltägliche Leben mit seiner Umgebung, die mich nicht zu erfüllen vermag, lässt mich innerlich seufzen. Doch ich muss mich fügen, ob ich will oder nicht. Und ich muss aushalten.

Die Sonne brennt auf mich herab und ich genieße ihre Wärme, die mich mit ihrer sanften Umarmung ein wenig tröstet. Ich weiß, es wird Zeit die Segel zu bergen und wieder mal die Maschine anzuwerfen. Es muss ja weitergehen und durch den Sund möchte ich nicht segeln. Auf Höhe der Brücke sind 20 Knoten Wind von vorn angesagt und die Enge des Fahrwassers lässt ein Kreuzen zwischen den Tonnen kaum zu. Zumal die Fähre zwischen Svendborg und Ærøskøbing nicht zimperlich mit im Wege befindlichen Seglern umgehen soll und ihre Welle mir als Gegenspieler bereits so schon ausreicht.

Ein letzter Blick nach Norden. Ein letztes Mal die See in Richtung meiner inneren Freiheit und meinem puren Sein in mich aufnehmen. Warum muss es immer zu Ende gehen? Warum muss alles Schöne so kurz sein? Ich bin traurig und fühle mich furchtbar allein. Still und leise rinnen zarte Tränen über meine Wangen. Ich bin ein emotionaler Mensch und ich stehe dazu. Denn diese Traurigkeit gehört genauso zu mir, wie das Glücklichsein.

Der Storebælt ist nicht mehr zu sehen und Thurø rev ist die letzte Illusion der offenen Weite, bevor es mich nun wie in einen Trichter in den Sund zieht und verschluckt. Jetzt kann ich mit Fug und Recht sagen, dass ich Sjælland einhand umrundet habe. Das war zwar nicht Ziel dieses Törns, doch es hat sich nun mal so ergeben.

Die Strömung ist hier auf meiner Seite und so kann ich den Motor etwas drosseln. Es ist schön, wenn er mal nicht ganz laut knattert und ich werde auch so schnell genug die Kurven des Sunds hinter mir haben und in der dänischen Südsee sein.

Wie vermutet kam die Fähre kurz vor der Brücke in Sicht und hat mich kurzzeitig hin und her geworfen. Doch jetzt ist die Fahrt frei und sobald ich das Fahrwassers verlasse, setze ich nochmal für knapp zwei Stunden die Segel.

Es fühlt sich vertraut an und ich schiebe den Gedanken an die kommenden Hafentage beiseite. Ich möchte sein. Möchte leben, möchte spüren und wahrnehmen. Das Glück, den Moment, mein Boot und mich selbst.

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