Es ist Anfang Oktober. Die Saison ist noch nicht ganz zu Ende und doch sind kaum noch Segler unterwegs. Die Förde wird einsam zu dieser Zeit. Und doch treibt es mich noch mal hinaus.
Gemeinsam mit Svenja, einer guten Freundin, und unseren Töchtern machen wir uns auf den Weg in Richtung Außenförde. Unser Ziel: einfach segeln. Einfach Sein. Fühlen, spüren, atmen.
Es tut gut, noch einmal unterwegs zu sein und sich den kühlen Wind um die Nase wehen zu lassen. Es ist schön, noch einmal das Leben im Inneren zu spüren und die Eindrücke auf dem Wasser zu genießen. Jede Welle, jede Böe nehmen wir dankbar entgegen.
Bei angenehmen vier Beaufort kreuzen wir ein paar lange Schläge vorm Wind und lassen schon bald die Schwiegermutter hinter uns. Wie immer erfüllt der Blick nach Osten mein Herz mit Freude. Dort, jenseits des Kalkgrunds, liegt das Nichts, was ich so sehr liebe. Kein Land, nur Weite.
Doch soweit kommen wir diesmal nicht. Die Zeit sitzt uns im Nacken. Wir haben nur drei Tage und so nehmen wir, was wir kriegen können und erfreuen uns an dem, was wir haben.
Dennoch halten wir noch ein wenig aufs Offene zu. Nur der Illusion wegen. Den Blick nach draußen gerichtet füllt sich mein Herz. Meine Gedanken sind gefangen in meinen Träumen. Einfach abhauen. Hinaus auf die Ostsee. Hinaus ins Glück.
Wir drehen bei und nehmen Kurs Richtung Høruphav. Der Hafen ist so gut wie leer. Menschen trifft man hier kaum noch. Das geschäftige Treiben des Sommers ist längst vorüber. Um uns herum stehen nur noch vereinzelt Boote und viele davon bereits ohne Mast. Sie warten auf ihren Winterschlaf und am nächsten Morgen verlassen einige von ihnen bei grauem Himmel und dröhnendem Wind ihr vertrautes Nass und werden in alle mögliche Richtungen davon gezogen und geschoben.
Auch uns gegenüber fordert der Herbst seinen Tribut. Es pfeift und pustet und heult von draußen über die Mole in den Hafen. Es ist mir zu viel Wind zum Segeln. Ich habe Respekt und so motoren wir auf direktem Weg in den nächsten Hafen.
Schön ist es dennoch. Es fühlt sich nach Leben an, während Wellen uns entgegen rollen und sich vor uns auftürmen. Findus springt über jede einzelne hinweg und teilt die Dünung entzwei. Gischt spritzt an beiden Seiten empor, während mein Schiff sanft zurück in die See taucht und uns beständig voran trägt.
Salzwasser benetzt mein Gesicht. Meine Lippen brennen, die Haut spannt. Ich liebe dieses Gefühl und fühle mich richtig.
Wir sind bereits angekommen, da lässt der Wind kurzzeitig nach und wir staunen von Land aus über die trügerisch glatte See.
Drei Tage sind wenig. Viel zu wenig. Denn kaum sind wir los, müssen wir auch schon wieder zurück. Mein Herz wird schwer bei dem Gedanken. Wie immer, wenn es um den Rückweg geht. Ich will nicht zurück. Nie. Das Meer ist Sehnsucht. Ganz tief drinnen.
Dunkle Wolken schleichen sich nun von achtern an und entladen all ihre Last über uns. Der Wind weht mir erste dicke Tropfen ins Gesicht. Der Regen prasselt gegen die Segel und läuft in Rinnsalen hinunter. Alles ist triefend nass. Und das Verrückte dabei ist, dass es mir nichts ausmacht. Nein, es gefällt sogar. Es ist einfach schön.
Nicht viele verstehen, was mein Herz fühlt, wenn es da draußen sein kann. Nicht jeder trägt diese tiefe Liebe in sich. Und nein, nicht alle Segler segeln aus dem selben Grund. Es sind besondere Menschen, die diese Liebe in sich tragen und es ist ein Geschenk mit einem solchem Menschen unterwegs zu sein.
Ich bin glücklich nochmal ein paar Meilen auf dem Wasser verbracht zu haben. Wind und Welle, Regen und Gischt gespürt zu haben. Für mich gibt es nichts Schöneres. Da draußen liegt das pure Glück.
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