Es geht weiter. Weiter zurück. Immer weiter zurück in diese Welt, die nicht die meine ist. Eine Welt, die sich nicht richtig anfühlt. Doch es nützt nichts. Realität, Verpflichtungen und Verantwortung holen mich ein und reißen mich aus meinem eigentlichen Sein.
Ich verlasse Fynshav und bin für diesen Sommer das letzte Mal auf dem kleinen Belt unterwegs. Vorab geht es nur mit Vorsegel los. Der wenige Wind kommt direkt von achtern und zwei Segel würden mich nur behindern, statt schneller voran bringen. Ich könnte sicherlich versuchen Schmetterling zu fahren, doch dazu habe ich jetzt keine Lust. Vorerst möchte ich die nächsten Meilen langsam sein und mich umsehen und so die letzten Eindrücke genießen ohne permanent auf die Segel achten zu müssen.
Verträumt segel ich los und sehe gerade noch rechtzeitig das schwarze Fischerfähnchen. Ich habe noch immer keine Ahnung, wie die dänischen Fischer ihre Netze und Reusen wirklich ausbringen und halte es für sicherer, einen gewissen Abstand zu wahren.
Danach habe ich freie Fahrt. Nun setze ich auch das Großsegel und kreuze vorm Wind etwas zu weit Richtung Ost. Noch einmal Freiheit schnuppern.
Es sind wenige Segler unterwegs. Insgesamt sind mir in den letzten vier Wochen nicht allzu viele Menschen auf dem Wasser begegnet. Nur vor Lyø häuften sich die Segler. Ansonsten konnte ich sehr gut meinen Träumen nachhängen und alles um mich herum in mich aufnehmen. Besonders und immer wieder das Blau der Weite.
Wer meinen Blog verfolgt, der wird gemerkt haben, wie mich genau dieses Bild, dieser Anblick, in seinen Bann zieht. Ich kann mich daran einfach nicht sattsehen. Genau dieses Bild führt mich zu mir selbst. Diese Freiheit, diese Unendlichkeit, dieses nie enden wollenden Meer. Da draußen liegt die Freiheit man selbst sein zu können. Ohne Unterbrechung, ohne Urteile und ohne Einschränkungen.
Wie herrlich einfach nur das zu sein, was tief in einem ist. Doch nun muss ich wieder Abschied nehmen. Muss bald wieder beginnen eine Rolle zu spielen. Eine Rolle, die das soziale und gesellschaftliche Leben fordert und damit das Individuum zurück stellt.
Es fällt mir schwer und ich nehme mir das Recht raus, darüber traurig zu sein. Traurig darüber, nicht länger sein zu können.
Nicht selten schon habe ich versucht, anderen Menschen, ob Landratten oder ebenfalls Seglern, begreiflich zu machen, was ich da draußen im Offenen und der Weite fühle. Doch ich merke, dass die meisten mich einfach nicht wirklich verstehen. Sie können nichts anfangen mit dem, worüber ich spreche, was ich empfinde und fühle. Sobald ich emotional werde, schrecken die Menschen zurück.
Ich habe oft den Eindruck, mir bleibt einzig und allein das Schweigen. Schweigen über das, was ich denke und empfinde und wie es in mir aussieht. Der Gedanke nicht wirklich teilen zu können ruft wieder diese tiefe Traurigkeit und Leere in meinem Herzen hervor. Doch wahrscheinlich gehört das einfach dazu und ich lerne Stück für Stück es genau so angenehm.
Das Lachen der Menschen im Hafen, die Stimmung auf den Booten und in dem Grillecken kann ich nicht teilen. Stattdessen zieht es mich raus in die abgelegenen Winkel. Natur, Wasser, Steine. Ich suche die stillen Verbündeten und Zuhörer, die mich auch ohne Worte verstehen.
Ich bin zurück in der Flensburger Förde. Außenförde zwar. Doch so nah an dem Ort, der im Melderegister mein Zuhause ist. Mein wirkliches Zuhause aber ist da draußen. Ist da, wo mein Herz ist.
Ich nehme vorerst Abschied von meiner inneren Freiheit und fahre in den Hafen.
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