28. Juli 2019
Das Leben spüren

Mal wieder früh geht’s los. Je früher wir loskommen, desto länger können wir unterwegs sein. Allein aus dem Grund, weil Emma die ersten Meilen verschläft und wir so weiter kommen. So auch heute. Um 6.00 Uhr starten wir den Motor und verlassen Bogense.

Vorhafen von Bogense

Den Grund sieht man diesmal nicht. Die Sonne steht noch zu niedrig. Schade, ich mag das grüne Wasser. Wir setzen Kurs Richtung West. Kleine Wellen schubsen Findus von hinten an. Nur selten rauscht mal eine unter dem Rumpf durch. Der Wind kommt mit fünf Knoten direkt von achtern. Es ist ruhig. Aber man merkt deutlich, dass hier mehr Segler unterwegs sind. Und das bereits morgens. Weit voraus stampft einer Richtung Norden. Zwei drei kommen uns entgegen. Unter Motor, mit Sturmfock und unter Vollzeug. Alles ist dabei. Für uns geht es zehn Meilen gemütlich vorm Wind vorwärts. Die Genua draußen und den Motor zur Unterstützung. Alternativ Schmetterling mit wenig Wind und dafür Welle macht keinen Spaß.

Irgendwas tut sich. Die Wasseroberfläche verändert sich. Hier setzt der Strom ein, vor dem wir bisher verschont blieben. Man sieht es deutlich. Die Wellen von achtern brechen sich dort. Kleine krisselige Wellen plätschern in kurzer Distanz hin und her. Der Strom ist spürbar, aber wirkt sich nicht groß aufs Vorankommen aus.

Die Wellen verändern sich wieder. Diesmal beginnen sie sich von achtern aufzubauen. Lange, schwerfällige und hohe Wellen kommen geräuschlos angerollt. Ich mag diese Wellen.

Die Höhe kann man nur erahnen
Die Welle baut sich erneut auf

Sie bauen sich auf, wirken gigantisch hoch. Jegliche Einschätzung über ihre Höhe wird falsch sein. Ich denke nicht, dass sie wirklich drei Meter hatten. Aber vom Wellental aus betrachtet sind sie doch weit über uns. Unaufhörlich schiebt die Woge sie voran. Erfasst das Boot, hebt es mit sich in die Höhe und rauscht drunter durch. Ohne Ruder wäre Findus der Spielball. So aber hält Findus Kurs und nach einiger Zeit ist der Spuk vorbei. Vor uns taucht der Industriehafen von Fredericia auf. Schön sieht das nicht aus.

Industriehafen Fredericia
Weiter Richtung Middelfart

Südlich sehen wir die Brücken bei Middelfart. Imposant erhebt sich die Ny Lillebæltsbro vor uns. Strom und Wellen haben sich längst beruhigt. Und nach Den gamle Lillebæltsbro wird es komplett still.

Ny Lillebæltsbro
Den gamle Lillebæltsbro

Die Landschaft verändert sich zusehends. Es sieht schön aus. Die Ufer zu beiden Seiten sind jetzt grün. Für mich das typische Bild von Dänemarks Küste.

Fænø Kalv

Hier beginnt das Schönwettersegeln. Zumindest eine Zeitlang. Blauer Himmel, grüne Ufer, durchzogen mit gelben, sandigen Klippen. Davor tiefblaues Wasser. Der Kontrast der Farben ist in Natur einfach nur schön anzusehen. Aus dem Augenwinkel immer wieder weiße Dreiecke. Hier segeln viele. So viele wie draußen im Offenen auf die Zeit gesehen insgesamt nicht unterwegs waren. Es ist sehr wie die Flensburger Förde. Zu sehr wie zu Hause. Auch wenn es schön anzusehen ist, emotional gibt es mir nicht das, wonach ich mich wirklich sehne.

Kein Weg zurück

Es läuft gut. Und es ist noch früh. Nicht mal zehn Uhr. Wir wollen weiter, die Zeit nutzen. Und das Wetter. Weitere 15 Meilen liegen nun vor uns. Der Wind nimmt zu, kommt aus ESE. Wir rauschen am Wind durchs Wasser. Siebzehn Knoten Wind. Zwanzig Knoten, manchmal mehr. Teilweise bis 26. Findus ist in seinem Element.

Es geht gut voran

Wieder verändert sich etwas. Der Wind bleibt beständig. Zumindest zeigt der Windmesser keine Veränderung. In elf Metern über der Wasseroberfläche tut sich offensichtlich nichts. Doch das Wasser kräuselt sich jetzt auch auf der Oberfläche. Es pfeift. Der Wind scheint jetzt auch weiter unten sein Werk zu vollziehen. Ich nehme das Hauptsegel rein. Gischt spritzt mir um die Beine. Mal wieder nass. Der Wind kommt jetzt direkt von vorn. Das Vorsegel muss auch weg. Kreuzen möchten wir jetzt nicht mehr. Die Wellen werden höher. Gischt spritzt von den Schaumkronen bevor sie sich brechen. Von jetzt auf gleich ist alles anders. Der Himmel sieht aus wie vorher. Keine dunklen Wolken. Keine Veränderung die auf mehr und tiefer liegenden Wind deutet.

Der Wind wird stärker

Findus stampft sich fest. Kein Vorankommen ist mehr möglich. Selbst unter Motor schafft Findus jetzt nur noch 2,5 Knoten. Kursänderung. Minimal quer zur Welle, den Motor nochmal fordern und mehr Power geben. Findus wird schneller und somit konstanter. Das Wasser spritzt dennoch ins Cockpit, Wellen brechen sich am Rumpf und schlagen ihre Gischt weit empor. Wie gut das meine Sprayhood so hoch ist. Dennoch tropft es auch von oben in die Plicht. Leben. Das Gesicht voll Salzwasser, die Klamotten nass. Alles weggeräumt was Spitzwasser nicht verträgt. Nur das Handy muss dem Nass weiterhin trotzen. Irgendwann ist der Spuk vorbei. Der Hafen ist in Sicht. Es war anstrengend, aber verdammt schön.

Mitten ins Gesicht
Findus verdrängt 2,5 Tonnen Wasser
Die Gischt geht über Findus hinweg
Schutz unter der Sprayhood

Es klingt vielleicht gefährlich, klingt riskant. Aber es ist einfach eine Seite die für mich auf dem Wasser dazugehört. Auch das ist Segeln. Viel zu selten bin ich bei diesen Bedingungen unterwegs. Alleine, da bin ich ehrlich, traue ich mir das nicht zu. Möchte wenigstens eine verlässliche Hand an der Pinne wissen, wenn ich an Deck rum turne. Den Kindern aber möchte ich das nicht all zu oft zumuten. Zumal sie meine Begeisterung für derartige Bedingungen nicht wirklich teilen.

Im Hafen beruhigt sich das Wetter gegen Abend. Ich fühle mich einsam. Eben noch voller Leben und Energie und plötzlich wieder leer und allein. Allein mit meinen Gedanken. Mit Fragen die ohne Antwort bleiben und Erfahrungen die kaum einer freiwillig eingeht.

2 Kommentare

  1. Wann schläfst Du eigentlich? Morgens früh raus aufs Meer, den ganzen Tag segeln, Kind versorgen und auch noch schreiben … Wow
    Tolle Bilder und schön zu lesender Text!!!

    Antworten
  2. Hey Volker. Schlaf wird überbewertet… Gibt wichtigeres…;)

    Antworten
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