7. Mai 2024
Das Sein

Es ist verrückt, was das wahre Sein für eine immens starke Energie freizugeben in der Lage ist.

Noch vor ein paar Tagen war ich unsicher, ob Findus mir noch immer geben kann, was mich in den letzten Jahren so sehr glücklich gemacht hat. Was mich im persönlichen Wachstum voran gebracht und im wahren Sein bestärkt hat. Zu viel ist den letzten Wochen auf mich eingestürzt und hat mein gesamtes Konzept aus der Umlaufbahn geworfen. Zu viele Gedanken, unangenehme Wahrheiten und Fakten ließen mich nicht ich selbst sein. Ewige Erwartungen im Außen und ein Anpassen, an den krankmachenden Rhythmus einer oftmals debilen Gesellschaft, hatten mir meine Lebensfreude geraubt und mich emotionslos zurückgelassen.

Ich hatte Angst los zu fahren und musste mich selbst zwingen, die Leinen überhaupt loszuwerfen. Mit dem Gedanken, dass mein Boot und die See mich fort vom Land und hin zu mir Selbst bringen und der dringenden Hoffnung, dass diese Magie noch immer da ist und im Alleinsein seine Wirkung zeigt, habe ich mich dann doch überwunden und den Hafen verlassen.

Der Wind ist böig und Gischt spritzt über die Sprayhood ins Cockpit. Mein Großsegel ist zum Glück gerefft und dennoch liegt Findus auf der Seite. Mir kommen leichte Zweifel, doch ich vertraue meinem Boot. Findus kann das. Und eigentlich ist ja auch überhaupt nichts los. Es ist lediglich mein eigenes Unwohlsein, was mir zu suggerieren versucht hier und jetzt so etwas wie Angst zu spüren. Ich weiß, hinter Glücksburg ändert sich der Wind und die Wellen. Das ist immer so und wird wohl irgendwie mit der Landabdeckung zu tun haben. So genau weiß ich das nicht, die Erfahrung aber zeigt, dass es oft so ist und nördlich der Ochseninseln das Segeln bei östlichen Winden konstanter verläuft. So ist es auch heute. Die Böen beruhigen sich und auch ich werde langsam ruhiger.

Ich halte einfach durch, lasse meinen Bedenken keine Chance sich auszubreiten und spüre, wie die Anspannung in mir immer mehr nachlässt. Es ist schon verrückt, dass es immer noch Momente an Bord gibt, in denen ich mir nach nunmehr über sieben Jahren kaum etwas zutraue und das ich immer wieder von Neuem dieses Vertrauen in mich selbst, meine Fähigkeiten und meinen Mut bewusst zulassen muss, um wieder richtig anzukommen. Es ist Wahnsinn, wie tief die Konditionierungen von Früher in Wahrheit doch liegen und wie sehr sie das Selbst trotz Bewusstheit immer wieder beeinflussen können.

Jenseits der Schwiegermutter reffe ich aus. Es ist deutlich ruhiger auf der Außenförde und jetzt macht es wieder richtig Spaß. Findus saust mit rund fünf Knoten durch die Wellen, die hier länger sind und so ein harmonisches Eins mit meinem Schiff bilden. Ich bin froh, mich überwunden zu haben und der Anblick dessen, was mich nun hier draußen umgibt bestätigt mich in meinem Tun.

Das Licht, die Farben, meine Gefühle. Das Sein, das Echte, mein Boot. Das ist für mich das wahre Leben. Frei von auferlegten und kräftezehrenden Unsinnigkeiten, die mich permanent an Land umgeben. Hier bin ich frei von all dem unnötigen Ballast, von Nichtigkeiten und vorgetäuschter Freundlichkeit. Hier draußen, selbst schon auf der Außenförde, beginnt das, was in meinen Augen wirklich zählt.

Mir ist bewusst, dass meine Gedanken und Emotionen oft nicht verstanden werden, doch vielleicht stimmt es sogar und sie müssen auch nicht im Außen verstanden werden. Vielleicht sind wir doch alle alleine und können uns am Ende nur selbst verstehen.

Vielleicht bin ich deshalb so gern hier draußen, weil ich ankomme, verstehe und begreife. Weil ich nichts erklären und rechtfertigen muss, keine Entscheidungen besprechen und keine Kompromisse eingehen muss. Vielleicht empfinde ich deshalb mein pures Sein hier draußen als unendliche Bereicherung, weil es ohne Beeinflussung von Außen einfach da ist.

Und doch bleibt dieser kleine Wermutstropfen, dieses Naturschauspiel und die damit verbundene Faszination nicht in genau in diesem Moment teilen zu können.

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