5. Juni 2023
Die Batterie ist tot

Vier Tage ist es her, dass mein Batteriemonitor mir den tiefenentladenen Zustand meiner Verbraucherbatterie angezeigt hat. Ich hatte vergessen nach dem letzten Törn meine Instrumente auszuschalten und die ohnehin schon angeschlagene Batterie war nun schnell am Ende. Vor sechs Monaten ist es mir schon ein Mal passiert. Damals war ich segeln auf der Außenförde, wie ich mehr zufällig auf den Monitor sah und einen Wert von nur 6,5V erblickte. Völlig entsetzt habe ich daraufhin den Motor angeschmissen und sämtliche Verbraucher ausgeschaltet. Wenigstens ein paar Amperestunden wollte ich so via Lichtmaschine laden. Damals hatte das funktioniert und außer dass sie nicht mehr ganz so viel an Kapazität hatte, funktionierte meine Verbraucherbatterie noch.

Ein furchtbar unangenehmer Geruch steigt mir nun beim Aufschließen des Steckschotts entgegen. Mein erster Gedanke gilt dem Pipieimer, der im sommerlich warmen Salon steht und anscheinend mal wieder eine etwas gründlichere Reinigung verlangt. Doch auch nach dieser und nachdem ich ihn in die Tiefe der Backskiste verbanne, verschwindet dieser penetrante Geruch nicht. Vielleicht ist es die Mülltüte? Eigentlich unwahrscheinlich, es ist ja kaum was drin. Auch die Vorratsschapps inspizieren ich. Evtl ist ja eine Getränkeflasche unbemerkt ausgelaufen. Doch ich kann nichts finden und beschließe den seltsamen Geruch vorerst zu ignorieren. Das Wetter ist gut und ich will erstmal los. Alles andere wird sich finden.

Da meine angeschlagene Batterie noch immer, trotz das sie letzte Nacht am Ladegerät mit Landstrom hing, nicht wirklich voll ist, schließe ich direkt das Solarpanel an. Wenigstens Erhaltungsstrom möchte ich haben, damit ich meine Instrumente, vorallem aber den Heinrich nutzen kann. Ohne meinen Autopiloten geht bei mir nichts mehr. Ohne ihn könnte ich nicht zwischendurch für einige Zeit auf dem Bug sitzen und die Fahrt unter Segeln genießen. Ohne ihn fiele auch das Bergen meiner Segel deutlich schwerer, da Findus gern Richtung steuerbord abhaut und bei Wind und Welle dann gern bockig wird. Vorallem aber ersetzt Heinrich mir einen zuverlässigen Partner an Bord, der den Kurs sicher hält und mir so nützliche oder auch nötige Freiräume für andere Dinge auf meinem Schiff gewährleistet. Etwas zu trinken holen, den Eimer benutzen, nach unbekannten Geräuschen forschen oder einfach etwas verträumt in die Ferne sehen.

Immer noch strömt dieser faulige Geruch von unten hinauf ins Cockpit und etwas unangenehm berührt frage ich mich sogar, ob die Crew einer dicht hinter mir durchgehenden Yacht diesen auch wahrnehmen kann. Irgendwie bin ich in Sorge. Was ist los mit Findus? Ich kann mich nicht richtig entspannen und bekomme auch keinen klaren Gedanken zustande. Das Segeln macht heute einfach keinen Spaß und das liegt dieses Mal nicht am wenigen Wind und dem noch zu machenden Unterwasserschiff. Ich steuere auf das dänische Ufer zu. Suche einen kleinen Nervenkitzel und segle bis auf wenige Meter ans Ufer ran. Zwei Meter habe ich noch unterm Kiel, doch gefühlt stehe ich schon auf Grund. Das Wasser ist hier so magisch grün. Ein wunderschönes Grün, was vereinzelt an flachen Stellen gelb erscheint. Das grüne Wasser zieht mich an. Es ist so frisch, so saftig, so lebendig. Grün, schon immer meine Lieblingsfarbe und die Farbe der Hoffnung. Ja, das passt, denn Hoffnung habe ich gerade. Ich hoffe, dass bei Findus alles ok ist. Ich mag es einfach nicht, wenn irgendwas nicht rund läuft und insbesondere wenn ich nicht ergründen kann, was da eigentlich läuft.

Ich starte den Motor und nehme die Segel runter. Das hat heute einfach alles keinen Sinn. Zu wenig Wind, die Wärme und dann dieser Gestank. Was soll das denn heute? Auf dem Weg zur Ankerboje spinnt der Motor dann auch noch. Er läuft irgendwie unrund und der Drehzahlmesser schwankt stark hin und her. Alles fühlt sich so schwergängig an und Findus kommt nicht so richtig aus dem Quark Irgendwie ist heute der Wurm drin.

Vor Anker versuche ich das Problem vorerst zu verdrängen und lehne mich zurück. Ich genieße die Ruhe, mache mir ein Müsli und lehne mich mit einem guten Buch zurück. Doch meine Entspannung hält nur kurz an, denn auch hier draußen zieht mir der sonderbare Geruch in die Nase. Ich öffne die Backskiste und vermute zunächst das alte Grotamar. Es riecht in der Tat komisch, wenngleich das nicht der gesuchte Geruch ist, den ich als unangenehm und faulig deute.

Vielleicht hat es mit Gummi zu tun? Ich öffne den kleinen Motorraum unter der Plicht und prüfen den Keilriemen. Dieser könnte eventuell etwas zu locker sein, aber er sieht gut aus. Jene porösen Stellen, keine geschmolzenen Spuren und auch kein Verschleiß lassen sich erkennen. Doch um den Motor herum spüre ich eine ungewöhnliche Wärme. Ich berühre die einzelnen Bestandteile der Maschine und stelle fest, dass sie ungewöhnlich heiß sind. Mit dem Laserthermometer prüfe ich die Temperatur der Lichtmaschine und stelle mit Erschrecken fest, dass diese über 70°C liegt. Viel zu heiß für meinen Motor, dessen Temperatur sich je nach Bauteil irgendwo um die 50°C bewegt.

Was mache ich denn jetzt mit dieser Information? Ich habe keine Ahnung. Aktuell herrscht Flaute auf der Förde und den ganzen Weg zurück unter Maschine möchte ich bei diesen Bedingungen nicht. Ich warte also ab und hoffe auf etwas Wind, damit ich schnell wieder in den Heimathafen komme.

Zwischendurch schildere ich meinem ältesten Sohn mein Problem. Er ist Ekektroniker von Beruf und kennt sich aus. Eine Ferndiagnose kann er natürlich nicht eindeutig stellen, doch nach allem was ich ihm am Handy erzähle, liegt für ihn der Fall ganz klar auf der Hand. Die Batterie ist einfach kaputt und lässt sich nicht mehr laden. Durch die vorangegangenen Tiefenentladungen und die oft zu kurzen Ladevorgänge u.a. bei kurzen Motorstrecken setzen sich Sulfate an den Minusplatte in der Batterie fest. Diese wuchern beständig vor sich hin und verhindern die erneute Ladung. Eine chemische Reaktion in der Batterie gibt Schwefelsäure frei und die Batterie beginnt zu stinken. Das ganze kann bis hin zur Explosion führen. Das die Lichtmaschine dabei heiß wird ist nur logisch, da der kleine Generator unaufhörlich versucht die Batterie zu laden. Da dies nicht gelingt nimmt der Motor Kraft, die er normal in due Umdrehung der Welle zum Propeller steckt weg, was wiederum die Schwankungen in der Drehzahl erklärt, und befeuert die Lichtmaschine. Der Keilriemen dreht schneller, was mehr Reibung Bedeutung und die Lichtmaschine wird heiß. Soweit reicht mir als Laie die Erklärung und ich habe nun ziemlich Respekt.

Ich bin froh über den angenehmen Wind der mittlerweile beständig und warm pustet und segle bin zur Hafengrenze, während ich mir im Stillen Vorwürfe mache. Wie konnte ich so nachlässig sein? Und vorallem so naiv? Was hätte ich Findus und somit auch mir so alles antun können, wenn ich einfach weiterhin unter Maschine unterwegs gewesen wäre? Ich bin froh, dass Jannik vom Fach ist und mir die Vorgänge derart „Idiotensicher“ erklären kann. Es ist schon komisch, früher habe ich meinem Sohn die Welt in Bildern und anhand von verständlichen Beispielen erklärt und heute gibt er mir genau das zurück. Irgendwie schön.

Im Hafen angekommen messe ich die Temperatur der Starterbatterie und sehe das zufriedene Grinsen auf Janniks Gesicht. „Hab ich doch gesagt“, sagt er ganz selbstverständlich, „die hat den Geist aufgegeben!“

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Abonniere meinen Blog

Gib deine E-Mail-Adresse ein, um diesem Blog zu folgen und per E-Mail Benachrichtigungen über neue Beiträge zu erhalten.

Wir halten deine Daten privat und teilen sie nur mit Dritten, die diesen Dienst ermöglichen.

Archiv