7. April 2023
Endlich Saison

Der Winter war mal wieder lang genug. Auch wenn ich während der kalten Jahreszeit das unsagbare Glück genieße und meine Leinen jederzeit losmachen kann, um ein paar Meilen in der niedrig stehenden Wintersonne zu segeln, so ist es eben doch nicht wirklich dasselbe. Die Häfen sind geschlossen, vielerorts gibt es weder Strom noch Wasser und auch die sanitären Anlagen bleiben in der Wintersaison meist verriegelt. Nach ein paar Stunden, spätestens aber um Tonne 12 herum, heißt es im Winter für mich dann immer, zurück in den Heimathafen zu segeln. Zu schnell geht die Sonne am späten Nachmittag unter und mit der Dunkelheit kommt dann auch die Kälte.

Doch heute geht es endlich mal wieder weiter. Es ist Urlaub. Ein paar Tage zumindest. Weit muss ich nicht kommen. Ich habe kein Ziel. Und auch keinen Plan. Ich möchte einfach nur raus. Die Innenförde mal wieder hinter mir lassen und meinen Blick jenseits der Schwiegermutter werfen. Mich auf der Außenförde austoben und mit Findus einen anderen Hafen als den Heimathafen ansteuern.

Ich weiß, dass ich es kann. Ich weiß, dass mein Schiff und ich ein gutes Team sind und ich mich jederzeit auf mein Boot verlassen kann. Die Polaris Drabant ist eine seegängige kleine Yacht mit hohem Ballastanteil und sie kann gut was ab. Viel mehr wie ich selbst, dessen bin ich mir wohl bewusst. Oft genug hatte ich im letzten Jahr Zweifel. Zweifel vorallem an mir selbst und damit einhergehend auch Zweifel an meinem seglerischen Geschick. Gespräche mit lieben Menschen jedoch haben mir diese Zweifel genommen und mich selbst tief in mich hineinblicken lassen. Und auch wenn klar ist, dass alte Zweifel immer mal wieder auftauchen werden, so werde ich versuchen, mich ganz bewusst gegen sie zu entscheiden. Mich einfach aufmachen und meinem Glück entgegen segeln.

Kurz hinter der Schwiegermutter erblicke ich einen Halo über meinen Segeln. Ein wunderschönes Naturphänomen, was mit dem bloßen Auge oft nur schwer zu erkennen ist. Zu dicht liegt es an der grellen Sonne und der Blick hinauf blendet derart, dass man sich direkt wieder abwendet. Doch ein Halo ist nicht nur schön anzusehen, er kann auch als Hinweis für schlechtes Wetter fungieren. Die zarten und manchmal hauchdünnen Cirruswolken am Himmel beherbergen leichte und winzige Eiskristalle und diese brechen sich weit oben am Firmament im Sonnenlicht. Der Regenbogenähnliche Ring um die Sonne kündigt oftmals binnen 24 bis 48 Stunden schlechtes Wetter an. Was ich zuvor bereits in diversen Wetter Apps zu lesen bekam, möchte mir nun auch die Natur bestätigen.

Ja, es ist wie eigentlich immer. Ich habe frei, die Chance zu segeln und das Wetter möchte mir mal wieder einen Strich durch die Rechnung machen. Die kommenden Tage wird Wind auf mich zukommen. Viel zu viel Wind. Und bei allem, was sich oberhalb der 20 Knoten befindet, möchte ich nunmal nicht mehr unterwegs sein. Zumal sich der Wind auch nicht immer gleich anfühlt.

Heute habe ich bereits im Heimathafen das erste Reff reingebunden. Ausreffen kann ich immernoch, falls ich mich doch vertan habe und es wieder erwarten draußen ruhiger zugehen sollte. Doch bei Wind und Welle auf meinem kleinen und doch beengten Deck am Mast stehen und das herabgelassene und unbändige Segel ordentlich aufgetucht, gebunden und verschnürt zu bekommen ist keine lustige Aufgabe. Das habe ich nur einmal probiert und mit dem Ergebnis konnte ich nur ansatzweise weiter segeln. Mein Reffsystem ist nunmal manuell ausgelegt und nicht wirklich praktisch, doch auch nach vielen gutgemeinten Verbesserungsvorschlägen seitens guten Freunden, möchte ich es nicht ändern. Mittlerweile habe ich den Dreh raus, lieber zu früh und lasse jedes Aber im Keim ersticken.

Findus ist schnell. Im Seglerjargon würde man mein Boot vielleicht als Rennziege betiteln, doch für mich ist es mein kleiner „Rennkater“. Der Name Findus, der bereits vor meinem Erwerb des Bootes, am Spiegel meiner Polaris Drabant prangte, ist für mich soetwas wie der Übergang von meinem Leben als Mutter mit kleinen Kindern zu meinem Ich, das mein eigentliches Selbst beinhaltet. Der Name Findus begleitet mich nunmehr seit über zwanzig Jahren. Erst als der sprechende Kater aus den Büchern „Findus und Petterson“, aus denen ich jahrelang meinen drei Kindern wieder und wieder vorgelesen habe und nun eben als mein Boot, was aufgrund seines Namens in meinem Geiste die imaginäre Erscheinung eben dieses Katers angenommen hat. Meine kleine Yacht ist keine Sie. Dem ein oder anderen wird es wahrscheinlich schon ausgefallen sein, mein Boot ist ein Er.

Auf der Außenförde ist es um einiges welliger wie auf der Innenförde. Hier draußen macht es heute erst richtig Spaß und Findus springt durch die Wellen wie ein junger Gott. Fast könnte man meinen er habe wahrhaftig Spaß an dem, was er gerade tut. Gerefft und mit um die sechs Knoten Fahrt bahnt er sich seinen Weg durch die Gischt und das aufstobende, tiefblaue Wasser. Heinrich, mein Autopilot, hält den Kurs und ich bin fasziniert und glücklich. Wie geil ist dieser Tag eigentlich? Ich summe, ich pfeife, ich singe. Irgendwelche tief verborgenen Melodien, die ich nicht wirklich einen Lied oder Interpreten zuordnen kann. Für mich ein Zeichen des Seins. Einfach sein, ohne wenn und aber, ohne Gedanken und Zwänge. Just me.

Ich genieße die Zeit, spüre eine tiefe Zufriedenheit in mir und auch die doch noch immer vorherrschende Kälte macht mir gerade nichts aus. Was Glücksgefühle und deren Hormone alles mit einem machen ist schon sensationell. Ich lehne mich zurück, grinse vor mich hin und denke an…. nichts.

Viel los ist nicht auf der Förde. Sicherlich sind einige unterwegs, doch man begegnet sich nicht. Zu weit ist das Feld, als dass man einander ausweichen müsste. Wir haben Ostwind, was bedeutet, ich muss kreuzen. Je weiter südlich, zur deutschen Küste, ich dabei komme, desto welliger wird es. Aufhören möchte ich heute nur ungern, doch nach diversen Schlägen halte ich dann doch Kurs Richtung Zielhafen. Kurz überlege ich noch, wird es Sønderborg oder Høruphav? Doch schnell ist klar, dass ich persönlich in Sønderborg nicht ankommen kann. Alte Geister schwirren da in meinem Kopf und die nervigen Dämonen, die mit diesem Hafen einhergehen möchte ich nicht ausversehen wecken.

Das Wetter ändert sich. Vor mir ziehen nun dunkle Wolken auf und mein Leihenauge vermutet in ihnen Regen. Es sind noch knapp drei Meilen bis in den Hafen und da vor Regen bekanntlich der Wind zunimmt, ziehe ich es vor die Segel zu bergen und nunmehr unter Maschine weiterzufahren, während ich mein Schiff zum Anlegen vorbereite.

Es ist leer im Hafen. Die hiesigen Boote stehen wie gestrandete und aufgebahrte Wale an Land. Hier wird gemalt und poliert und nur eine handvoll Boote ist bereits im Wasser. Während ich vor lauter freien Boxen nicht sicher bin, welchen Platz ich nehmen soll, registriere ich, dass die Stege zum Teil erneuert wurden, neue Stromsäulen und Wasserschläuche an anderen, als den vertrauen Positionen aus dem letzten Jahr bereit stehen und während ich leicht verwirrt meinen Anleger verhaue, bin ich doch froh, es geschafft zu haben.

Positiv überrascht bin ich dann, wie vorm Automaten stehe und bezahlen möchte. Die Kategorien sind erneut geändert worden und es gibt sie wieder: die Kategorie für kleine Boote unter acht Meter. Im letzten Jahr noch kostete eine Übernachtung auf 7,80m genauso viel wie auf zehn Metern und fast dreißig Euro empfand ich dann doch etwas teuer. Aber jetzt ist wieder alles beim alten und ich kann guten Gewissens sagen: Høruphav ist einer meiner absoluten Lieblingshäfen.

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