4. August 2023
Findus dreht durch

Angesagt sind mal wieder Böen um die 20 bis 24 Knoten, doch im geschützten Hafen von Nyborg merke ich nichts davon. Morgens in der Koje denke ich sogar für einen Moment noch, heute vielleicht doch mal Richtung Smålandfavandet zu segeln und erst morgen weiter nach Süden runter. Doch die Zeit wird knapp, denn der nächste Sturm ist bereits in Anmarsch und danach wird mein Urlaub so gut wie vorbei sein. Es wird also leider jetzt doch Zeit, sich so langsam über dem Heimweg Gedanken zu machen. Vielleicht ist es wirklich besser, wenn ich den Gedanken an das Småland schnell wieder verwefe und direkt nach unten fahre.

Bereits in der Bucht vor Nyborg merke ich, dass dieser Schlag einer der dollsten in diesem Sommer werden wird. Mehr Wind war für heute schon seit ein paar Tagen angesagt, sodass ich das Großsegel zum Glück bereits gestern bei Flaute vor dem fetten Regenschauer wieder eingerefft hatte. Ich hatte mich für heute auf einen Halbwindkurs die Küste runter eingestellt, jedoch habe ich den jetzt schon hier in Bucht und je weiter ich südlich gehe, desto härter muss ich an den Wind. Solange keine Böen kommen ist das auch alles gar kein Problem. Findus rauscht konstant durch die See und ich kann mich bequem zurücklehnen und Richtung Langeland blicken. Dort drüben war ich auch noch nie und eigentlich wäre das mal fällig.

Das Wetter zeigt sich auch heute wieder von seiner sommerlichen Seite, was den Wind gleich viel harmloser erscheinen lässt. Bei blauem Himmel und Sonne sieht die See viel harmloser aus und der Wind wirkt auf mich in keinster Form beängstigend. Es ist schon erstaunlich, wie die Psyche des Menschen der Realität hier einen Streich spielt. Der Wind ist schließlich derselbe, egal ob blau und sonnig oder grau und trostlos.

Automatisch geht Findus jetzt immer härter an den Wind. Er luvt kaum merklich immer weiter an, trickst mich dabei leicht aus und rauscht immer schneller und wilder durch die Wellen. Ich versuche dabei dicht unter Land zu bleiben, doch mein Boot und der Wind sehen das anders. Nur mit gutem Abstand zur Küste stimmt der Kurs. Findus legt sich auf die Seite und ich habe den Eindruck jetzt fliegt mein Schiff mehr durchs Wasser, als das wir segeln. Trotz der sich uns entgegenstellenden Wellen erreicht Findus auch im ersten Reff wieder und wieder Spitzengeschwindigkeiten von über sechs Knoten Fahrt.

Was mir vor noch gar nicht so langer Zeit auf der Flensburger Förde ein klein wenig unheimlich erschien, fühlt sich hier draußen jetzt genau richtig an. Wo ich von vielen Seglern immer wieder höre, dass sie sich in geschützten und mit Land umgebenen Bereichen wohler fühlen, empfinde ich dieses zumindest in Teilen offene Gewässer als viel entspannter. Hier kann ich mein Boot einfach laufen lassen. Hier herrscht kein derart reger und chaotischer Verkehr und hier muss ich besonders auch bei höheren Segelgeschwindigkeiten nicht ständig auf Kurshaltepflicht und Ausweichmanöwer achten. Die Boote hier segeln nicht kreuz und quer, sondern halten eher mit langen Schlägen ihren Kurs, um ebenfalls zum nächsten Zielpunkt zu gelangen.

Diese Beständigkeit schafft auch in mir eine gewisse Gelassenheit. Das Vertrauen in mein Boot und auch in mich selbst wächst hier draußen viel intensiver wie auf der heimischen Förde. Wo vorher immer noch winziger Teil an Unsicherheit mich vorrangig in Luv hat sitzen lassen, genieße ich es jetzt in Lee zu sein und mit Freunde Findus‘ Verdrängung zu beobachten.

Nicht selten rauscht das Wasser übers Leedeck und ich bin fasziniert davon, wie mein Boot sich stoisch und ohne sich auch nur im Geringsten beeindrucken zu lassen einfach weiter durch die Wellen pflügt.

Ich lasse mal wieder Heinrich steuern. Mittlerweile weißt ich, dass mein Autopilot auch bei Wind und Welle den Kräften standhalten kann und ich empfinde es als ungeheure Erleichterung als Einhandsegler diese technische Hilfe an Bord zu haben.

Der Wind kommt jetzt noch weiter aus süd, was bedeutet, dass ich immer weiter abfallen muss, um hart am Wind weiter segeln zu können. Je weiter ich dabei östlich komme, desto wilder wird der Wind, der nun nicht mehr nur in Böen mit über zwanzig Knoten kommt, sondern auch in seiner Beständigkeit zugenommen hat. Weit ist es heute nicht mehr und so langsam merke ich, wie das Thema Hafen und Anlegen sich in meinem Kopf diverse Szenarien ausmalt. Der angepeilte Hafen liegt ungeschützt und ohne Mole, welche Wind und Wellengang zumindest etwas eindämpft.

Vor mir sehe ich, dass ein tuchloser Mast in den Wellen hin und her geworfen wird. Irgendetwas stimmt dort nicht, denn ein Festrumpfschlauchboot ist gerade dabei den Segler in Schlepp zu nehmen und in Richtung Svendborgsund zu fahren. Ich ändere meinen Kurs leicht nach Osten, um der Szene vor mir großräumig auszuweichen. Dadurch verliere ich weiter an Höhe, was einen längeren Kreuzschlag Richtung Zielhafen bedeutet. Gleichzeitig höre ich über Funk, dass ein Junge an Bord eines Schiffes sich den Arm gebrochen hat. Er wird nach Drejø gebracht, um von dort aus mit der Fähre nach Svendborg zu gelangen. Die See im Sund ist kabbelig, es steht Wind gegen Welle und mit der Fähre wird der kleine Patient mehr Ruhe haben. Das Wetter ist nicht ohne und irgendwie bin ich jetzt auch an einem Punkt, wo ich keine Lust mehr habe.

Einmal muss ich jedoch noch kreuzen. Mein Ziel liegt ebenfalls im Sund und ich bin froh, wenn ich es gleich erreicht haben werde.

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