29. März 2023
Gedanken zur Sicherheit auf See

Segeln. Für mich persönlich eine, wenn nicht sogar die schönste Sache der Welt. Im Idealfall natürlich bei traumhaft warmen Bedingungen. Mit stahlender Sonne und einem azurblauen Himmel. Mit freiem Blick auf den Horizont und keinem noch so zarten Landstrich, welcher in der Ferne die endlose See begrenzt. Um mich herum eine nie enden wollende Weite. Ein ungetrübter Blick in die Ferne. Liebe. Sehnsucht. Ehrfurcht.

Mit Wind in den Haaren und aufschäumender Gischt, die am durch die See pflügenden Bug meines kleines Schiffes emporsteigt und nach achtern ins Cockpit spitzt. Salzgeschmack auf den Lippen und ein Gefühl von Freiheit, dass scheinbar keine Grenzen mehr kennt. Ein inneres Ankommen, ein Verstehen, ein Bejahen. Ein kräftiges und intensives Ja zum Leben.

Mit einem Boot, welches ich mein eigen nennen darf. Was ich vor bald sieben Jahren zum erste Mal gesehen und in das ich mich augenblicklich verliebt habe. Viel habe ich seitdem daran gearbeitet. Viel habe ich verbessert, manches erneuert. Einiges aber auch bewusst so belassen wie es vor gut 44 Jahren bereis gewesen ist. Ich habe meine Polaris Drabant bis in die kleinste Ecke, den kleinsten Winkel und die schmalsten Rundungen erkundet und viel Zeit und Liebe investiert, damit diese kleine Segelyacht wieder zu dem Schiff werden konnte, das es einst bei Auslieferung im Sommer 1979 gewesen ist.

Doch ist das zu Ende gedacht? Reicht es wirklich sein über vierzig Jahre altes Boot auf den Stand von einst zu bringen? Wie waren die Boote damals im Vergleich zu heute ausgestattet? Was hatten sie zu bieten? Wo lagen die Standards und was zählte zu jener Zeit bereits zum Luxus? Und vorallem, wie war es Ende der siebziger / Anfang der achtziger Jahre eigentlich um die Sicherheit an Bord gestellt?

Ein Thema, über das am Steg oft nicht wirklich ausreichend gesprochen wird. Häufig geht es in Häfen um die in der Ferne erreichten Urlaubsziele, um abenteuerliche Begebenheiten auf See, am besten bei ordentlichem Sturm. Es geht um Hafenmanöver und Ankergeschichten oder es geht um gesegelte Meilen, um Höchstgeschwindigkeiten und Regattaplazierungen. Für mich persönlich ist Segeln ja eher mein viel zitiertes Ankommen, ein Entschleunigen und zu sich finden. Ich genieße die Stille um mich herum und bin ein Stück weit eins mit Wind und Wasser. Im Hafen gibt es nur einige wenige, mit denen ich bislang, und das auch nur ansatzweise, über das Thema Sicherheit gesprochen habe. Allerdings ist das Thema meist auch schnell wieder vom Tisch. Diskussionen über Vor- und Nachteile, über Hintergründe der Anschaffung oder auch die Sinnhaftigkeit einzelner Produkte bleiben eher aus. Die meisten reden einfach nicht drüber, was mich auf diesem Gebiet noch immer etwas ratlos zurück lässt.

Die nun vor wenigen Tagen, wie aus den Nichts heraus, vollkommen gesunkene Yacht eines Flensburger Seglers wirft jetzt plötzlich aber doch Fragen zum Thema Sicherheit in mir auf. Gerade noch rechtzeitig konnte der entsprechende Skipper sich mit seiner Frau auf ein mitgeführtes Dinghi retten und nur noch dabei zusehen, wie seine über 40 Fuß große und noch recht neue Yacht im Meer versank. Was für ein Alptraum. Den Untergang seines eigenen Schiffes zu erleben muss furchtbar sein, doch dabei in Lebensgefahr zu geraten und dem Tod durch Ertrinken derart ins Gesicht zu sehen, dass sollte einfach kein Segler je erleben müssen. Die beiden konnten glücklicherweise durch die DGzRS gerettet werden. Was aus der Yacht wird, nachdem sie geborgen wurde, steht nun auf einem anderen Blatt.

Seenotfälle gibt es immer wieder, doch waren sie bislang immer weit entfernt und lösten in mir zwar einen kurzzeitigen Anflug von Anteilnahme aus, doch machten sie nie besonders viel mit mir persönlich. Dieses Mal jedoch betrifft es zwei Menschen, die ich zumindest vom Sehen her kenne. Ich kenne ihr Boot und sehe die beiden nun vor meinem inneren Auge im Cockpit ihrer Yacht sitzen und freudig winken. So wie es Segler eben tun, wenn sie einander auf dem Wasser begegnen. Doch auf einmal liegt diese Yacht am Grund des Meeres und plötzlich ist alles ganz nah. Ich fühle mich seltsam. Irgendwie unbeholfen, denn ich weiß, wäre ich dort draußen gewesen, wäre es jetzt vorbei.

Findus ist klein und ein aufgepumptes Dinghi findet nicht wirklich Platz bei mir an Bord. Seit Jahren fristet eines im Keller sein Dasein, da sein Volumen selbst im abgepumpten Zustand das gesamte Vorschiff einnimmt. Vom Gewicht her mal ganz zu schweigen, würde ich es auch so nicht alleine, und besonders im Notfall, wo es im Zweifel auf jede Minute ankommt, niemals an Deck bekommen, geschweigedenn es zeitnah aufgepumpt bekommen, da auch an Deck der Platz für ein Dinghi einfach fehlt. Vor zwei Jahren hatte ich es mal mit einem SUP an Deck probiert, doch wirklich segeln konnte ich so nicht mehr. Das Vorsegel ließ sich schlecht bedienen, die Windangriffsfläche drückte den Bug zur Seite und die Sicht, sowie Bewegungsfreiheit an Deck waren auch ziemlich eingeschränkt und wurden eher zu Stolperfallen, als dass mir nach Sicherheit zumute gewesen wäre. Nein, weder Beiboot noch SUP passen wirklich bei mir an Deck.

Jetzt liebäugle ich gerade mit einer Rettungsinsel und frage mich, inwieweit eine solche wirklich Sinn macht. Ich bin überwiegend alleine unterwegs oder wenn, dann höchstens mal mit ein oder zwei weiteren Personen. Eine kleine Insel für bis zu vier Menschen wäre da ausreichend. Eine Rettungsinsel dieser Größenordnung könnte ich, was die Maße angeht, in der Tat sogar in der Hundekoje verstauen. Etwa 30 Kilo soll sie wiegen und ließe sich im Notfall recht zügig greifen. Nur, 30 Kilo sind nun auch nicht wirklich leicht. Bekäme ich die Tasche mit der Insel im Notfall überhaupt alleine hoch ins Cockpit und könnte sie anschließend über Bord werfen? Was ist, wenn das Boot leck schlägt und eindringendes Wasser herumliegende und schwimmfähige Gegenstände aufschwämmt und ich so noch weniger Bewegungsspielraum hätte? Die Gedanken sind berechtigt, doch steigt das Wasser im Zweifel überhaupt so hoch? Ab wann würde mein Boot untergehen? Wieviel Wasser kann es machen, bevor es sinkt? Wie berechnet man sowas? Ich finde diese Fragen wichtig, doch ich kenne niemanden, der mir Antworten darauf geben kann.

Auf einmal wachsen Zweifel in mir und ich fühle mich alleine. Ich bin Einhandseglerin, trage die volle Verantwortung und alles lastet nur auf meinen Schultern. Einen Notfall als solchen erkennen und richtig einschätzen. Einen Notruf über Funk abgeben. Ruhe bewahren. Evtl. wichtige Dokumente und Unterlagen einpacken und ggf. vielleicht doch eine kleine und möglicherweise unerfahrene Crew einweisen und ihnen dabei Ängste und Sorgen nehmen. Den Überblick behalten. Mit Bordmitteln ein Leck stopfen, wenn vorhanden dann die Rettungsinsel ausbringen und dabei immer das Richtige tun.

Am sinnvollsten erscheint mir bei all diesen Gedanken in erster Linie doch wieder das Flotille Segeln. Segeln im Verband mit Freunden oder Bekannten. Ein gegenseitiges Achtgeben, den anderen immer mal wieder im Auge haben. Mal auf Zuruf, dann wieder einige Meilen entfernt, doch stetig in Kontakt bleiben, sich Sorgen und auch lieber einmal zu viel nachfragen ob alles ok ist, wenn die Situation es erfordert.

Und dennoch, das Thema Sicherheit an Bord und auf See ist für mich noch nicht abgeschlossen und in brenzligen Situation, und allein auch schon aus dem Grund mir selbst meine evtl. aufkeimende Angst zu nehmen, werde ich auch weiterhin Findus‘ heimliche Hymne Wir werden niemals untergehen vor mich hin summen und darauf hoffen und vertrauen, dass alles gut gehen wird.

Um jedoch diesen Text nicht falsch zu verstehen, ich verfüge auf Findus selbstverständlich über die ein oder anderen einfachen Mittel, um mir in der Not einigermaßen selbst helfen zu können. Doch die Frage, ob diese alt bewährten Dinge am Ende ausreichen, die geistert mir eben doch gerade durch meine Gedanken.

Weitere Informationen zum Thema Sicherheit und Seenot gibt es hier:  DGzRS Grundkenntnisse

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