21. Juli 2023
Lillebælt bei Flaute

Heute soll er kommen. Der segelbare und angenehme Wind. Etwas träge von den letzten Tagen überwinde ich mich und verlasse den Hafen. Eine Schönheit ist Assens wahrlich nicht, wenngleich ich dennoch gern hier einen Zwischenstopp einlege. Die Sonnenuntergänge sind einfach schön, es gibt Leihfahrräder und man kann abends seine Runde am Wasser und zur Mole machen. Doch nach zwei Tagen reicht es dann auch wieder und ich möchte weiter.

Direkt hinter der Mole setze ich die Segel. Was für ein Traum. Endlich ein bisschen segeln. Wer hätte das gedacht, es geht also. Kein Sturm, kein Kampf und kein Motorengeräusch. Einfach nur angenehmer Wind und beständige Fahrt. So hatte ich mir das vorgestellt. So soll es bitte den restlichen Sommer über sein. Ich weiß, dieser Wunsch ist nichts weiter als eine trügerische Illusion, doch jetzt und hier hilft der Gedanke doch gerade enorm weiter. Es wird wärmer, ich werfe die dicken Sachen unter Deck und schaffe es langsam meinen Kopf wenigsten für einen Moment frei zu bekommen.

Den Blick in die Ferne gerichtet fühle ich mich frei. Frei von auferlegten Zwängen, frei von Konditionierungen und frei von Mustern, denen ein jeder Mensch mehr oder weniger folgt. Dies hier ist zwar nicht die wirkliche Ferne und auch nicht die echte Freiheit, nach der ich mich so sehr sehne, doch es ist immerhin ein Anfang. Vor allem ist es der Blick in die Weite, wenngleich er auch mit einem Hauch von Land begrenzt wird, der mir hier draußen immer wieder Hoffnung gibt. Hoffnung auf inneren Frieden mit mir selbst. Denn wie kann am Ende denn Frieden auf Erden herrschen, wenn der Mensch ansich nicht im Reinen mit seinem eigenen Selbst ist? Angekommen bei seinem Kern, sich jeglichem unnützen Ballast entzogen und wieder das Wesentliche erkennend. Es braucht Zeit und Muße und es braucht den Mut, sich mit seinen ganz persönlichen Defiziten auseinander zu setzen. Hier draußen schaffe ich das und kann so viel an beschwerenden Ballast zumindest für eine kurze Zeit gedanklich über Bord werfen.

Lange hält das Segelvergnügen leider auch heute nicht an. Nach etwa sieben Meilen bricht der Wind weg und die Segel schlackern nur noch träge hin und her. Keinen Hauch bekomme ich mehr eingefangen und Findus treibt unkoordiniert vor sich hin. Es hat keinen Sinn. Lediglich die Strömung bringt mich hier noch mühselig mit 0,5 Knoten voran. Es ist zum verzweifeln. Zu viel Wind oder gar keiner. Der perfekte Segelsommer war im Juni fiesen Jahres, doch ich bin aufgrund meiner Mutterrolle auf die Sommerferien angewiesen und so stehe ich nun da. Mal wieder mitten in eibem Flautenloch. Es hilft wohl nichts. Ich starte die Maschine und nehme die Segel runter. Irgendwie muss es ja weitergehen.

Vor ein paar Tagen hat ein dänischer Sender ein Video eines Passanten veröffentlicht. Dieses Video zeigt ganz hier in der Nähe einen auftauchenden Buckelwal. Diese Tiere sind für gewöhnlich eher im Norden anzutreffen, doch hin und wieder wurden wohl tatsächlich schon welche im Ostseeraum bis hin zur Flensburger Förde gesichtet. Ich finde das ein bisschen unheimlich, zumal so ein Wal fast doppelt so lang ist wie mein Boot. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was passieren könnte, wenn ein Meeresbewohner dies Ausmaßes plötzlich neben mir auftaucht, zum Sprung ansetzt und sich dann mit seiner gewaltigen Masse ins Wasser wirft.

Der Blick auf die ruhige See verzaubert mich. Ich finde es einfach schön, wie das Wasser so ruhig vor mir liegt. Ich mag diese Langsamkeit, diese Entschleunigung, wohlgleich ich im Hinterkopf doch gleichzeitig den Druck spüre ankommen zu müssen. Immer wieder sind es dieselben Gedanken. Wird es später noch ausreichend Plätze geben? Was mache ich, wenn der Hafen voll ist? Welcher Hafen wäre die Alternative? Wie wird das Wetter? Kann ich an eine Boje gehen oder muss ich am Ende Ankern? Ich bin noch lange nicht entspannt genug, um mir hier keine Gedanken mehr zu machen. Vielleicht liegt es an meiner Situation, vielleicht aber auch an mir. Ich weiß es nicht und kann es auch erst herausfinden, wenn ich irgendwann auf längere Zeit die Chance bekomme allein unterwegs sein zu können.

Kurz bevor ich in den Fanøsund fahre hole ich das Vorsegel nochmal raus und stoppe die Maschine. Es sind nicht viele Boote unterwegs mit denen ich in Konkurrenz bei der Platzsuche stehe und da der Wind nun doch noch mal leicht auffrischt, möchte ich die letzten Meilen nutzen und die Stille an Bord genießen.

Plätze gibt es in Middelfart immer, doch sind sie oft in breiten und langen Boxen zu finden. Mit Findus stehe ich jedoch gern auf entsprechenden Liegeplätzen mit geringer Größe. Das An- und Ablegen fällt mir so allein so um einiges leichter und ich bin froh, dass ich am Nachmittag noch genau so eine Box in gerade noch passender Größe erwischt bekomme.

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