26. August 2023
Nationalpark Ostsee

Man sieht sie immer häufiger auf großen Yachten am Achterstag oder an Flaggenmasten in Vereinen; die Fahne mit dem Aufdruck „Nationalpark Ostsee? NEIN“. Auch die kleine blauweiße Flagge des Segler Verbands Schleswig-Holstein, erinnernd an das Brückenöffnungssignal, mit dem weißen Rand und der Aufschrift „Ostseeschutz-Ja. Nationalpark-Nein.“, fällt immer öfter unter der Backbordsaling ins Auge. Schleswig-Holsteins Segler (und weitere Wassersportler) machen mobil. Der geplante Nationalpark erhitzt die Gemüter und wirft Fragen unter den Wassersportlern auf. Die einen sind direkt strikt dagegen, die anderen verunsichert und wieder andere fürchten auch beruflich um ihre Existenz.

Das Vertrauen in die Politik ist vielerorts angeknackst, die Angst vor (nicht gerechtfertigten) Einschränkungen spätestens seit Corona entsprechend groß und die Medien tragen auch nicht immer zur adäquaten Aufklärung bei. Ich kenne persönlich niemanden, der perse gegen den Schutz von Natur und Umwelt ist und in meinem Freundes- und Bekanntenkreis befinden sich ausschließlich Menschen, die in Harmonie und mit der Natur leben möchten. Jedoch hat jeder sein ganz eigenes und individuelles aus seiner persönlichen Lebenssituation resultierendes ABER.

Auch ich kann mich davon nicht Freisprechen und habe regelmäßig ein schlechtes Gewissen. Sei es das Thema Biozide im Antifouling, Motornutzung oder auch generell das Thema „Plastikschiff“. Denn auch Segelboote jeglicher Couleur machen Dreck und nur weil sie sich größtenteils mit Hilfe von Windkraft fortbewegen, heißt das noch lange nicht, dass sie der Natur und Umwelt gegenüber nicht auch Schaden anrichten. Mir stellt sich dabei immer die Frage nach der Relation und natürlich betrachtet da jeder in erster Linie seine eigenen guten und vorbildlichen Seiten. Wir alle betreiben nämlich hin und wieder irgendeine Art von Projektion, wenn wir das Gute in uns selbst gegenüber dem Schlechten im Anderen suchen, um dabei unsere eigenen Defizite zu verbessern.

Vor sechs Jahren, nach dem Kauf meines Bootes, stand für mich fest, ich muss das Unterwasserschiff komplett abziehen und neu aufbauen. In Ermangelung eigener Erfahrung und meinem Unwissen, habe ich mich blind auf die Aussagen erfahrener Segler verlassen und mich ohne eigene Recherche für ein Antifouling entschieden, was mir den lästigen Bewuchs möglichst gründlich vom Hals hält. Schnell sollte mein Schiff werden, das jährliche Streichen sollte zügig von der Hand gehen und gut aussehen sollte es auch. Findus trägt unter Wasser VC 17m. Ein kupferhaltiges Antifouling. Was ich seiner Zeit aus lediglich einem Blickwinkel betrachtet für das Richtige hielt, zweifle ich mittlerweile an. Jährlich beträgt der Kupfergehalt in deutschen Gewässern, bedingt allein durch Sportboote, um die 70 Tonnen, was eine Gesamtbelastung von ca. 19 Prozent nur aus dem Freizeitbereich ausmacht. Für mein Schiff halte ich diesen Unterwasseranstrich noch immer für das Beste, für die Ostsee jedoch absolut nicht.

Doch was ist jetzt die Lösung? Wieder alles abziehen? Das ist nicht wirklich gut für mein Schiff und birgt das Risiko von Beschädigungen im Gelcoat und somit langfristig von Osmose. Ich bin, wie der Großteil der Segler, nur Laie im Bereich Bootsbau und allem was dazu gehört, und eine Fachwerkstatt kann ich mir schlichtweg einfach nicht leisten. So plagt mich also jedes Jahr erneut mein Gewissen, wenn ich eine neue Schicht des dünnschicht Hartantifoulings mit Kupfer auf mein Unterwasserschiff rolle.

In den Niederlanden, wo das VC 17m im übrigen herkommt, ist dieses Antifouling bereits verboten und dieses Verbot wird auch hier über kurz oder lang durchgesetzt werden. Ich hoffe nur, dass der Hersteller bis dahin eine Lösung findet und eine biozidfreie Unterwasserfarbe entwickelt, die mich aufgrund von chemischer Unverträglichkeit mit anderen Antifoulings nicht zwingt, mein Schiff komplett neu aufbauen zu müssen.

Spinne ich das Thema Kupfer für mich aber einfach mal weiter und es kommt tatsächlich in absehbarer Zeit, wie es bereits für die Kieler Förde als Beschränkung im Raum steht, ein Verbot für das Auftragen von VC 17, wie könnte ein solches dann Aussehen? Ich weiß nicht wieviele Boote, oder besser gedacht Quadratmeter am Unterwasserschiff, es betrifft, doch es könnten unmöglich alle Schiffe in ein und derselben Wintersaison an Land um komplett umgestellt zu werden. Weder Platz, noch Gerät oder Gewerke und Werften stehen allen gleichzeitig zur Verfügung. Auch verfügt nicht jeder Eigner über entsprechende finanzielle Mittel für ein solches Projekt. Es bräuchte in jedem Fall Übergangszeiten. Wie könnte eine mögliche Kontrolle im Anschluss dann aussehen? Auch geht nicht jedes Schiff im Winter an Land. Und was wäre mit Seglern aus anderen Ländern, deren Regelungen, Vorschriften und Gesetze mit evtl. deutschen Vorgaben nicht konform gehen? Gibt es dann ein Verbot der Einreise? Oder werden ausländische Boote von der Regel ausgenommen? Was bedeutet das für den Tourismus und die wirtschaftlich betriebenen Marinas? Und was bedeutet es am Ende für die vielen Eigner, die sich ihr geliebtes Hobby vom Munde absparen? Ein schlichtes Verbot erscheint mir hier zu kurzfristig gedacht.

Einer Prognose bezüglich der benötigten Liegeplätze an Schleswig-Holsteins Küste aus dem Jahre 2008 zufolge, sollten 2020 rund 20.500 Boote zwischen Flensburg und der Lübecker Bucht beheimatet sein. Da die kleinen Boote dabei langsam aussterben, wohingegen größere Yachten, und somit auch die Unterwasserquadratmeter, zunehmen, wird auch die Belastung entsprechend steigen. (Quelle: www.bvww.org). Es steht auf jedem Fall außer Frage, dass hier dringend Handlungsbedarf besteht.

https://acrobat.adobe.com/link/review?uri=urn:aaid:scds:US:55ffea7b-9d44-3186-be8d-679847bf9fdfMarinas in SH

Ähnliches gilt für den Verbrauch von Treibstoff. Die meisten Sportboote sind noch immer mit einem Dieselmotor ausgestattet, welcher nicht nur mit Lärm und Schallwellen die Tierwelt unter Wasser stört. Je größer das Schiff, desto mehr PS und desto höher auch der Verbrauch in Litern pro gefahrener Stunde. Was also tun? Eine Nutzungssteuer einführen? Eine Art Wegzoll, um die Ostsee befahren zu dürfen? Wofür auch immer die Einnahmen generiert würden, woran könnte man die Höhe festmachen? An den gefahrenen Stunden oder Meilen? Nein. Denn im benachbarten Ausland und auch der Küste Mecklenburg-Vorpommerns gäbe es wieder andere Regelungen und die Stunden würden beim Befahren anderer Gewässer steigen. Auch hat nicht jedes alte und kleine Boot überhaupt einen Betriebsstundenzähler, am dem man, ähnlich wie beim Auto den Kilometerstand, die Zeit ablesen kann. Außerdem wären die kleinen Boote auch hier mal wieder stark im Nachteil, da sie durch kleinere Motoren zwar zeitmäßig länger, jedoch mit weit weniger Verbrauch unterwegs sind.

Eine beliebige 46 Fuß Yacht mit einem 55 PS Motor hätte beispielsweise einen Verbrauch von knapp 12 Litern in 2,2 Stunden, wohingegen meine 26 Fuß Yacht mit 9 PS auf 3,3 Stunden bei gerade mal ca. 5 Litern auf einer Strecke von zwanzig Meilen läge. Dies ist sicherlich nur ein Beispiel von vielen, da jeder Motor unterschiedlich viel Sprit schluckt. Es verdeutlicht aber den Unterschied was Zeit und Verbrauch angeht. Zeit auf dem Wasser kann also nicht ausschlaggebend sein.

Es macht mir Angst, was da auf uns alle zukommen könnte. Doch ich kann nicht sagen, dass ich grundsätzlich gegen ein Naturschutzgebiet bin. Wobei mir ein Nationalpark eben doch auch in meinen Augen etwas weit hergeholt erscheint. Es muss die Möglichkeit geben, friedlich als Mensch mit der Natur zu leben. Es braucht den respektvollen Umgang miteinander und es braucht Aufklärung. Es braucht gemeinsame Lösungen und keine grundsätzlichen Verbote. Es braucht Gespräche, Vorschläge und Ideen. Es braucht Gemeinsamkeit und keine übereilten Gesetze.

Zu guter Letzt braucht es auch Lösungen für sämtliche Giftstoffe, die von Landseite aus in die Ostsee gespült werden. Ebenso zur Bergung und Entsorgung von alten Waffen und Munition. Eine Renaturierung der Ostsee macht in meinen Augen nur dann Sinn, wenn sie nachhaltig und sicher ist und nicht auf einem Pulverfass plaziert jeder Zeit und im Ausmaß weit verherender zerstört werden kann, als es Wassersport und Küstentourismus heute tun.

Die eigentlichen Probleme müssen am Schopfe gepackt werden und nicht durch schlichte und oberflächliche Verbote in einer Schreibtischschublade verstauben. Sicherlich kann jeder seinen kleinen Beitrag leisten, doch braucht es Innovationen, Vorschläge und Lösungen von Fachleuten, deren täglich Brot es ist, sich mit chemischen Prozessen auseinander zu setzen. Ich erwarte in der Tat zum Beispiel eine Lösung zum verträglichen Überstreichen eines kupferhaltigen Antifoulings von den Herstellerfirmen. Ich erwarte jene in die Lösungsprozesse mit einzubeziehen, die verantwortlich sind und nicht den Löwenanteil auf den Endverbraucher abzuwelzen.

Und jetzt bin ich wieder bei der Relation. Muss ich wirklich ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich zehn Meilen mit meinem kleinen und in Relation gesehen wenig verbrauchenden Motor unterwegs bin, während große Firmen noch immer Luxusyachten, mit dreimal soviel Diesel fressendenden Motoren verkaufen? Muss ich mich grämen, weil ich schlicht kein Geld habe, mein Unterwasserschiff umzurüsten, während der Hersteller Profit machen kann ohne nach einer umweltfreundlicheren Lösung zu suchen? (Zumindest habe ich diesbezüglich nichts gefunden). Muss ich mein Hobby, mein Lebenselixier und somit den größten Teil meines Seins aufgeben, weil mir weitere Möglichkeiten und Mittel fehlen, um ein verschwindend geringen Anteil zu leisten, der wie ein winziger Tropfen auf einem heißen Stein verpufft? Welcher Löwe wird aus reinster Nächstenliebe und Selbstlosigkeit verhungen?

Ein schwieriges Thema mit viel Zündstoff, was ich gern bereit bin persönlich und in zielführenden Gesprächen zu vertiefen und zu unterstützen, jedoch nicht an lautstarken Protestaktionen teilzunehmen

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