5. August 2023
Noch einmal Südsee

Ich kann verstehen, dass viele Segler gern in der dänischen Südsee unterwegs sind. Schnuckelige Inseln, kleine Häfen, kurze Distanzen und dänische Hygge. Das Sydfynske Øhav lädt förmlich dazu ein, hier verweilen zu wollen.

Doch ich möchte das nicht. Zumindest nicht zur Hauptsaison. Es mag fürchterlich undankbar klingen, wenn ich mich aktuell nicht einreihen kann, in die Lobeshymnen auf dieses schöne Inselmeer. Landschaftlich ist es hier ein Traum, das steht absolut außer Frage, doch Segelurlaub bedeutet für mich in erster Linie zu segeln und nicht freiwillig oder aus Angst keinen Platz mehr zu bekommen, nach drei Stunden bereits im nächsten Hafen festzumachen.

Dennoch bin ich erneut hier unterwegs. Der Wind drängt mich ein wenig und für lange Schläge bleibt nicht mehr viel Zeit. Zu riskant erscheint es mir, am Ende irgendwo festzusitzen und so Gefahr zu laufen, nicht rechtzeitig zurück zu sein. Mein Ziel ist deshalb heute erneut nur die Marina von Faaborg.

Gambøt verlasse ich schon in den frühen Morgenstunden, denn eigentlich wollte ich den Strom im Sund so mit mir zu haben. Mein Plan geht jedoch irgendwie nicht wirklich auf, denn eine Stunde zu früh kippt die Strömung bereits und ist nun mit ein bis zwei Knoten gegen mich. Nur langsam kommt Findus voran, doch ich möchte meinen Motor heute nicht unnötig quälen. Eilig habe ich es schließlich nicht, weshalb ich mit nur dreieinhalb Knoten gemächlich durch den Sund tuckere. Auch hier ist es landschaftlich sehr schön. Viel Grün, verstecke Hütten, reetgedeckte Häuser und private Steganlagen säumen das Ufer. Zumindest bis plötzlich die Industrie von Svendborg auftaucht.

Beim Anblick des Docks muss ich kurz schmunzeln und zurück an meine Kindheit denken. Es muss so um 1980 herum gewesen sein, wie ich bei meinem Vater auf dem Containerschiff mit war, auf dem er seiner Zeit als Maschinist zur See fuhr. In so einem Schwimmdock lag die Gerda Graebe nach einem Motorschaden in der Biskaya damals. Wir wurden nach La Rochelle La Pallice geschleppt und meine Kindheit auf See nahm dort ein abrupptes Ende. Es hat Jahre gedauert, bis ich mit Findus diese Welt auf dem Wasser wieder an mich heranlassen konnte und heute bin ich so dermaßen froh und glücklich darüber, dass mich verschiedene Umstände dazu gebracht haben, mich auf mein kleines Schiff einzulassen.

Damals ist mir beim Spielen mein bunter Flummi über Bord gegangen und meine Mutter und ich haben ihn unten im Dock überall gesucht. Wenn ich heute in dieses Schwimmdock in Svendborg blicke, ist es für mich fast unvorstellbar, das ich als kleines Mädchen von sechs Jahren unter einem 77 Meter langen und 12 Meter breitem Containerschiff nach meinem Flummi gesucht habe. Gefunden habe ich ihn übrigens nie und bis heute frage ich mich manchmal, was wohl mit ihm geschehen sein mag.

Kurz vor der Brücke begegnet mir die Fähre von Ærøskøbing. Ich fahre extra etwas langsamer und warte, bis sie die Brücke passiert hat. Sie schlägt ordentlich Wellen und denen möchte ich nicht direkt zwischen den Brückenpfeilern begegnen. So habe ich mehr Spielraum und kann, sobald sie an mir vorbei ist, quer in ihre Heckwelle fahren. Findus macht einen ordentlich Satz und beruhigt sich direkt danach wieder, sodass ich meinen Kurs wieder aufnehmen kann.

Es ist ein traumhafter Segeltag und es ist nicht viel los in der Südsee. Einige Boote sind bereits unter Maschine an mir vorbei gefahren, andere sind unter Segeln ebenso gemächlich unterwegs wie ich und deshalb weit von mir entfernt.

Es wird der letzte Tag meines Urlaubs heute in dieser Gegend für mich sein. Ab morgen geht es zurück in die Förde und ich möchte den heutigen Tag ausgiebig genießen.

Ich kreuze gemütlich und langsam hin und her und wirke dabei wahrscheinlich etwas planlos. Doch das ist mir egal. Generell ist es mir hier draußen egal, was andere eventuell über mich oder mein Schiff denken mögen. Hier draußen muss ich niemanden etwas beweisen und kann einfach ich selbst sein. Wie schön das ist, einfach nur zu sein.

Wind kommt jetzt auf und die letzten zwei Meilen ist Findus wieder viel zu schnell. Als würden sieben Stunden reichen müssen, drängt es mein Boot nun Richtung Marina. Sieben Stunden schon? Bin ich wirklich schon wieder so lange unterwegs? Bin ich nicht gerade erst losgefahren? Ich bin doch nicht wirklich bereits so lange auf dem Wasser. Ich merke einfach nicht, wie schnell die Zeit vergeht und im Handumdrehen bin ich auch schon in Faaborg, nehme die Segel runter und bereite alles fürs Anlegen vor.

Der Abend wird still. Sehr still. Es ist mein letzter Abend im fremden Hafen und irgendwie fühlt es sich gerade überhaupt nicht gut an. Wo ich sonst so gern allein bin, fühle ich mich jetzt verdammt einsam. Mir fehlt jemand zum Reden. Jemand, der mich versteht, der mir zuhört und mit mir fühlt. Jemand, mit dem ich alles noch mal Revue passieren lassen kann und den nahenden Sonnenuntergang genießen kann. Doch da ist niemand.

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