20. Juli 2023
Raus aus der Südsee

Sturm oder Flaute, was auch sonst. Ok, nachdem ich die Tage zuvor wegen zu viel Wind im Hafen saß, möchte ich das wegen Flaute nicht auch noch. Ich möchte wenigstens versuchen ein Stück weiter zu kommen und verlasse Faaborg deshalb im tristen Grau und unter knatternder Maschine. In der Marina ist einiges los, denn ich bin offensichtlich nicht die einzige, die das kurze Flautenloch zwischen den oft viel zu windigen Tagen nutzt.

Die Südsee lasse ich zügig hinter mir und fahre den Lillebælt weiter in Richtung Norden. Ich möchte es wenigstens versuchen ein kleines bisschen nördlich zu kommen. Sehr weit werde ich es in diesem Jahr nicht nach oben schaffen und die Hoffnung auf das Kattegatt habe ich bei den Wind- und Wetterprognosen für die kommenden Tage auch schon längst für diesen Urlaub zu den Akten gelegt. Dennoch möchte ich wenigstens ein bisschen weiter nach oben kommen und nicht vorn herein resigniert in der Südsee stehen bleiben.

Ich bin emotional angeschlagen und kann mich nicht so auf das, was ich tue und vorallem auf das, was ich so gern möchte einlassen. Ich bin immerzu müde und kann mich nicht richtig konzentrieren. Meine Gedanken fahren Achterbahn im Wirrwarr meiner Gefühle. Einerseits bin an Bord, endlich auf dem Wasser, muss nicht umkehren und könnte meinem Sein freien Lauf lassen, doch auf der anderen Seite ist genau dies nicht möglich. Ich bin nicht allein. Bin verhaftet in meiner Rolle als Mutter und bekomme von außen zu spüren, dass das Recht auf eigenständiges Sein offensichtlich abhängig ist von den Rollen, die ein jeder im Leben spielt.

Persönliche Grundbedürfnisse haben scheinbar nur dann ein Recht auf Existenz, wenn gesellschaftliche Bedürfnisse vorab befriedigt sind. Gilt es also in erster Linie im Außen zu funktionieren, bevor man sein Inneres leben darf? Je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer wird die Antwort darauf, warum wir als Gesellschaft oft nur angepasst und nie wir selbst sind und als Konsequenz Stress und Depressionen einen immer größer werden Teil der Bevölkerung trifft. Meiner Meinung nach ist der Teller mehr wie voll und es ist schon lange Zeit, sich auch mal über den Rand zu beugen und nach neuen Möglichkeiten und Chancen zu blicken, statt an alten Rollenbildern und Klischees festzuhalten.

Wind kommt auch im cerlauf der nächsten Meilen keiner auf und um meinen Gedanken einen neuen Lauf zu geben, lege ich mich auf den Bug und lasse Heinrich den eingegebenen Kurs steuern. Ich lausche derweil, wie Findus das Wasser mit seinem scharfen Bug teilt und genieße dieses rauschende und sprudelnde Geräusch entlang des Rumpfes, während leichte auf und ab Bewegungen mein Schiff immer wieder sanft in die See eintauschen lassen. Ich könnte Stunden hier liegen und zuhören und mich so über das Wasser tragen lassen.

Dieses Auf und Ab spiegelt sich auch in meinen Gefühlen wieder. Ich bin glücklich das hier erleben zu dürfen und Blicke mich um. Keine Unendlichkeit, kein Horizont, an dem der Himmel das Meer berührt. Kein Seelenverwandter, der fühlen kann, was ich fühle und auch kein Herzensmensch, mit dem ich teilen kann was mich im inneren an Schönheit berührt. Und doch ist es einfach wunderbar hier zu sein. Erleben zu dürfen, wie es sich anfühlt auch nur minimal frei zu sein. Die Farben des Himmels in einer Weite zu sehen, die an Land, in der dichten Bebauung der Stadt, so nie erreicht werden kann. Ja, ich versuche das Schöne zu sehen, sei es auch nur ein Bruchteil dessen, was mein Herz in seiner Gänze begehrt.

Kurz vor Assens liegt Torø Rev. Hier habe ich nur noch zwei Meter unter dem Kiel und kann deutlich Sand und Steine erkennen. Früher fand ich es unheimlich in flachem Gewässer unterwegs zu sein, doch heute, insbesondere bei Flaute, macht es mir nichts mehr aus. Ich drossle die Geschwindigkeit um mehr sehen zu können. Doch nur kurz, denn vor mir kommt die angekündigte Regenwolke immer dichter und ich möchte im Hafen sein, bevor sie ihr Nass über mir ausschüttet.

Auf den letzten Metern kurz vor der Hafeneinfahrt pustet es auf ein Mal hinter mir und ein Scheinswal heißt mich willkommen. Ein paar Mal taucht er neben mir auf, so als wolle er mir den Weg in den Hafen geleiten, wo ich nun die kommenden zwei Tage erneut den zu kräftigen Wind abwettern werde.

Man så gerne sidde og hvile her, men vi undskylder udsigten – gegenüber ein freier Platz mit Müll
PD Olga steht an Land
Hafeneinfahrt Westmole versandet
Einfach genießen
Good night
Nächster Morgen
Es geht auch in karibisch
Es bleibt wechselhaft
Immer wieder Regen
Alte Mühle in Assens
Leider kümmert sich keiner
Fachwerk auch hier zu finden

1 Kommentar

  1. Was für ein Glück hast du, dass deine Tochter mit dir segelt. 😍

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