Ist es tatsächlich schon November? Ich kann es eigentlich kaum glauben. Der Blick auf die traumhaft blaue Flensburger Förde könnte auch irgendwann aus dem Sommer stammen. Nur eine schöne Erinnerung sein. Doch die kühlen Temperaturen hier draußen verraten, dass es tatsächlich bereits spät im Jahr geworden ist.
Es zieht mich trotz der Frische früh am Morgen bereits hinaus auf’s Wasser. Ein bisschen inneres Leben im leblosen Chaos um mich herum spüren. Ein klein wenig Sein. Nur mein Boot und ich. Und die Stille, die mich umgibt.
Noch ist es ruhig hier draußen. Nur wenige sind schon um diese Zeit unterwegs. In weiter Ferne erscheint nun ein weiteres, weißes Segel in der Kulisse des morgendlichen Blaus.
Der Wind lässt auf sich warten. Es ist noch früh am Morgen und man spürt förmlich, wie auch er sich erst noch für diesen Tag finden muss. Er wechselt scheinbar gerade und bringt häufige Dreher der Windrichtung und plötzliche Windlöcher mit sich.
Findus nimmt es gelassen und trägt mich mit zwei, drei Knoten beständig durchs Wasser, während ich, Dank Heinrich, die Atmosphäre um mich herum vom Bug aus ganz bewusst in mich aufnehme. Das hier draußen, das ist meine Welt. Eine kleine, begrenzte und doch gleichzeitig so endlos große Welt.
Mein Schiff bietet mir die Möglichkeit mitten drin sein zu können. Angekommen im Leben. Im Wesentlichen. Im Elementaren. Auch wenn die Sehnsucht nach der großen Weite in mir schlummert und es mir nicht selten die Luft zum Atmen nimmt, meinem Traum noch nicht folgen zu können, so bin ich dennoch froh darüber, jetzt und hier auf der Förde mit ihren begrenzten Küsten segeln zu können.
Ich spüre den Wind. Ich atme. Ich lebe. Ich bin unabhängig und abhängig zugleich. Ohne Findus wäre ich nicht hier. Und ohne mich, wäre mein Schiff nicht hier. Es ist ein ständiges Geben und Nehmen. Ein aufeinander achten und respektieren. Hier draußen bekomme ich zurück was ich gebe. Und nicht selten bekomme ich wesentlich viel mehr.
Der Wind fängt sich langsam. Er weht nun beständig mit um die acht Knoten aus südwestlicher Richtung. Die Windlöcher sind weniger geworden und der Kurs somit konstanter. Auf raumen Kurs segeln wir dahin und wollen nicht umdrehen. Noch nicht. Es ist gerade so schön. Nur noch ein Stückchen.
Es hilft nichts. Für später ist wieder weniger Wind angesagt. Wollen wir unter Segeln zurück in den Hafen gelangen, so müssen wir den Kurs ändern und umkehren.
Einige Zeitlang saust Findus nun am Wind mit viereinhalb Knoten durchs Wasser. Mehr gibt der Wind heute nicht her.
Mittlerweile sind auch weitere Segler unterwegs und genießen diesen herrlichen November Tag. Schon von weitem erkenne ich unter anderem die Slisand Lady. Fröhliches Winken von beiden Seiten und schon trennen sich die Wege wieder. Hier draußen ist jeder für sich und doch wissen wir, zumindest jene die sich kennen, das wir nicht allein sind.
An der Kreuz geht’s weiter zurück. Plötzlich habe ich ein Lied im Kopf. Eine Melodie, die auf einmal in diese Landschaft zu passen scheint. Ich suche es auf meinem Handy und höre „Für Elise“ von Beethoven, während ich glücklich bin und Natur und Melodie auf mich wirken lasse.
Nach über fünf Stunden traumhafter Bedingungen sind wir nun wieder kurz vor der Hafeneinfahrt. Ich frage mich, ob ich wirklich rein segeln soll, oder vielleicht doch noch eine Runde drehe. Aus verschiedenen Gründen entscheide ich mich vorerst dagegen.
Wie angesagt zieht sich der wenige Wind immer mehr zurück, so dass am Abend nahezu absolute Flaute herrscht.
Dennoch muss ich noch einmal die Leinen los machen und ein Stück raus fahren. Nicht weit. Nur bis kurz hinter die Hafengrenze. Ich möchte heute zum Abschluss dieses schönen Tages Findus im Glanz der untergehenden Sonne sehen.
Ohne Wind liegt die Förde spiegelglatt vor mir. Einige Zeit lang dümpelt Findus nur so vor sich hin, während ich die Abendstimmung mit ihren Farben und Eindrücken auf mich wirken lasse.
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