7. September 2023
Schwingungen

Segeln ist Leben und das Leben funktioniert wie das Segeln. Die Kraft des Windes treibt mich dabei an, bringt mich vorwärts und setzt in mir Energien und Kräfte frei, während die Flaute mich auf der Stelle hält und mir ein Weiterkommen verwehrt. Höhen und Tiefen im Leben sind dabei nichts anderes wie Wind und Flaute auf See. Hochs und Tiefs. Aufs und Abs. Bewegung geschieht dabei nur bei kontinuierlichen und gegensätzlichen Kräften. Es braucht zwei Pole, die sich anziehen und abstoßen und so erst kleine und mit der Zeit immer stärkere und intensivere Schwingungen verursachen. Innehalten. Wahrnehmen. Bewusstwerden. Weiterkommen.

Die Tage an Land werden jetzt wieder mehr und die Zeit, die ich an Bord meines Schiffes verbringen kann werden so langsam wieder weniger. Es ist September geworden, doch der Wettergott ist nochmal gnädig und beschert uns sonnige und warme Tage. Ideales Segelwetter und perfekter Wind aus östlicher Richtung verleiten mich dazu, lange Schläge bis auf die Außenförde zu machen und erst nach Sonnenuntergang zurück in den Heimathafen zu kommen. Mein schlechtes Gewissen bei soviel Abwesenheit ist dabei allgegenwärtig, doch verschiedene Verpflichtungen an Land rauben mir so unglaublich viel Energie, dass ich dringend nachtanken muss.

Es macht einen so verdammt großen Unterschied hier draußen zu segeln. Die Innenförde hat ständige Windlöcher und nicht selten dreht der Verklicker im Mast völlig durch, weil der Wind sich nicht entscheiden kann, wie er denn wehen möchte. Die bewaldete Küste, die herabfallenden Winde und das zu nahe gelegene Land zu beiden Seiten trägt nicht unbedingt dazu bei, dass Findus konstant durchs Wasser rauscht und ich mich auf mich selbst fokussieren kann. Die Wellen jenseits der Schwiegermutter sind viel länger und mein Schiff rennt hier mit Wonne über sie hinweg. Das Land ist weiter entfernt, der Wind stabiler und ich fühle mich einfach freier. Die Enge in meiner Brust verliert sich im Blick auf die blaue See und ich spüre eine Leichtigkeit in mir, die mir ein wohliges Gefühl vermittelt. Auch sind hier weit weniger Schiffe unterwegs und ein permanentes Acht geben und eventuelles Ausweichen fällt dementsprechend weg, sodass ich Zeit und Muße habe, es mir an Deck bequem machen zu können und über mich selbst nachzudenken.

Es ist die Resonanz, die in den letzten Tagen unstimmig und nicht rund lief und es ist das Umfeld, was nicht auf meiner Frequenz liegt und mich mit seinen negativen Schwingungen aus dem eigenen Takt bringt. Es ist das Gesamtpaket, aus dem ich (noch) nicht einfach so ausbrechen kann. So ergebe ich mich dem, was nicht zu ändern ist und ärgere über eben diese negative Störung in meinem Selbst. Es ist wie ein Fehler in meinem System, welches auf ein dringend benötigtes Ersatzteil wartet, was aktuell nicht lieferbar ist und deshalb nur unrund und unter starker Kraftanstrengung läuft.

Die Stunden, die ich zur Zeit auf dem Wasser verbringen kann sind kostbar und ich bin froh, dass ich diese Gelegenheit habe. Sicherlich gibt es ihn immer, diesen faden Beigeschmack, der versucht mich mit seinem negativen Gift vom Eigentlichen abzulenken. Dieser Beigeschmack ist aktuell die Angst um die Finanzierung meines Traums. Meines Lebens. Meines Seins. Doch ich bin wie ein „Stehaufmännchen“ und finde immer wieder Wege, die mich wenn auch mit Umwegen, so dennoch meinem Ziel des wahren Seins näher bringen. Es braucht gelegentlich die Stille zum tiefen und intensiven Atmen und auch die Ruhe mich selbst nicht zu verlieren. Es braucht die Muße, das eigene Sein zu überdenken und seinem eigenen Selbst zu folgen.

Wenn ich hier draußen, in absoluter Stille und dem Geräusch des am Rumpf vorbeiströmenden Wasser lausche, dann weiß ich, wofür sich alle Mühe und alle Anstrengung immer wieder lohnt. Mich nicht verbiegen zu lassen, endlich der Mensch zu sein, der ich tief in meinem Inneren bin. Mich frei zu machen von alten Denkmustern und überlebenswichtigen Verhaltensweisen, die mich bis heute ins Hier und Jetzt geführt haben. Es ist Zeit anzukommen. Und Findus ist dabei die größte Stütze.

Es ist die Kraft der Natur, der mich umgebenden See, die mir in müden Momenten wieder Hoffnung gibt und meine schlaffen Lebensgeister erneut daran erinnert, dass es immer wieder gut wird und mich zu mir selbst begleitet.

Es sind die Schwingungen der See, in deren Gleichtaktung ich an Bord meines Schiffes mit den Wellen eins bin und der beständige Raum in dem ich mich hier draußen befinde ist groß genug, um meine anfangs unrunden und manchmal sogar wütenden und innerlich aggressiven Vibrationen aufzunehmen und sie zum dem Takt des Seins zurück zu führen bis die Frequenz wieder stimmt und ein gleichmäßiger Ton in mir eine tiefe Harmonie hinterlässt. Eins mit dem Wind. Eins den Wellen. Eins mit mir.

Oft verstehen Außenstehende es nicht und sehen schlicht ein Hobby in dem, was ich mache. Schnell wird es zum Luxusproblem degradiert. Doch es ist eben nicht nur ein Interesse, ein diffuses Freiheitsgefühl oder ein Messen mit den Gewalten der Natur. Es ist weit mehr und ganz bestimmt kein Luxusproblem. Der Luxus liegt dabei rein im finanziellen Aspekt zur Unterhaltung und Instandhaltung meines Schiffes, was mir schlicht als Hilfsmittel und wohlfühloase dient. Ohne Findus hätte ich mein Sein nicht gefunden, denn dieses liegt nunmal hier draußen. Ohne Findus wäre der Weg zu mir selbst in dieser reinen Form nicht möglich gewesen.

Findus zu finden war kein Zufall. Es war eine Ineinanderkettung unterschiedlicher Fügungen, die ich anfangs nicht richtig zu deuten in der Lage war. Falsche Vorstellungen und ein Festhalten an irrealen Hoffnung auf eine Art Erlösung von Außen und die damit verbundenen Irrwege, haben mich lange zweifeln und blind sein lassen. Erst in der Stille ist das Gefühl zu mir selbst erwacht und diese Stille finde ich nunmal auf See.

Wo andere ihr Glück auf dem Rücken eines Pferdes finden, Bäume umarmen, mit Tieren sprechen oder beim Stricken selbstvergessen ihr wahres Ich annehmen, so ist es die See, auf deren Frequenz ich Schwinge. Hier gehöre ich hin. Hier bin ich.

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