24. Oktober 2021
Segeln im Herbst

Die Tage werden jetzt deutlich kürzer. Die Luft wird frischer und die strahlenden Farben des Sommers verblassen und nehmen ein tristes Grau an. Doch nicht heute.

Heute erstrahlt es um mich herum in den schönsten Herbstfarben, die sich in jedem auch nur erdenklichen Rot- Grün- Gelb- Orange- und Braunton des Küstenwaldes zwischen dem strahlend blauen Himmel und dem Tiefblau des Wassers abheben. Ich mag ihn, den Herbst.

Die Sonne hat heute Kraft und wärmt mich, während eine frische Brise mein Boot vorwärts trägt. Noch überlege ich, ob ich heute eventuell ankern möchte. Um der Farben Willen hier verweile oder ob es mich weiter zieht.

Doch der Wind ist geradezu perfekt. So einen Tag muss ich nutzen. Muss segeln. Muss mit mir und meinen Gedanken über die zarten Wellen rauschen. Ich drehe um. Weg vom Wald. Weg vom Land.

Ich habe kein Ziel und lasse Findus springen, wie es ihm beliebt und segle einfach den Kurs, der gerade am meisten Spaß macht. Ich segle hin und her und kreuz und quer über die Innenförde.

Zum Ende der Saison beginnt hier eine andere Art von Freiheit. Im Sommer mag ich nicht gern hier sein. Der Sommer ruft mich hinaus. Dorthin wo die Weite keine Grenzen kennt. Wo das Auge nichts als Unendlichkeit wahrnimmt und die weißen Segel nur vereinzelt und in der Ferne auftauchen.

Doch im Herbst beginnt sich auch hier auf der Förde ein ähnliches Bild auszubreiten. Die Segler werden täglich weniger. Die meisten Boote verweilen den Winter über in der Halle an Land und so wird es auch hier draußen auf der sonst so besegelten Förde herrlich still.

Meine Gedanken und mein Herz sind sich einig. Hier ist der Ort an dem ich mich zu Hause fühle. Wo ich einfach ich selbst sein kann. Wo ich fröhlich, traurig, offen und ehrlich sein kann. Wo ich trotz meiner Schwächen, meiner Fehler und Macken einfach Ich bin. Einfach Mensch. Es ist ein Ort, der einfach da ist und Geborgenheit verspricht. Es ist der Ort wo Liebe ist.

Hier wird mir niemals langweilig. Denn nur wer nicht das Richtige tut, der kann sich langweilen. Hier draußen auf meinem Schiff aber vergeht die Zeit wie im Flug. Hier draußen bin ich richtig.

Doch mein Leben lässt es nicht zu richtig zu sein. Ich muss zurück. Fahre schweren Herzens eine 90 Grad Wende und kehre zurück. Immerhin habe ich jetzt die Sonne von vorn.

Ich lasse, wie so oft, den Autopiloten laufen und genieße mein Schiff in sämtlichen Positionen. Ich genieße die Gischt, das Rauschen, das Plätschern.

So könnte es immer bleiben. Stundenlang könnte ich die Formationen des schäumenden Wassers beobachten. Stundenlang diesem Geräusch lauschen.

Vor fünf Jahren fing unsere gemeinsame Reise an. Damals wusste ich nicht viel übers Segeln. Nichts über Boote. Doch ich bin einem Traum gefolgt. Mein Ziel fest vor Augen hatte ich Kraft und Mut und habe mir Stück für Stück alles selbst beigebracht. Habe mein Schiff in mühevoller Kleinarbeit kennengelernt. Habe gewerkelt und gebastelt und erste Versuche auf dem Wasser unternommen. Zaghaft, unsicher, manchmal sogar ängstlich.

Wenn ich heute daran zurück denke, muss ich schmunzeln. Es ist unheimlich viel passiert und ich habe unendlich viel gelernt. Doch es ist nicht nur das. Das Segeln und mein Schiff haben mich verändert und einen vollkommen anderen Menschen aus mir gemacht. Ob das immer gut ist, steht dabei in anderen Geschichte. Doch Hier und Jetzt und in meiner ganz persönlichen Story ist mein Leben in diesen Momenten auf dem Wasser das Beste, was mir passieren kann.

Ich sitze einfach da und lasse mich tragen. Die Freiheit der beginnenden Wintersaison lässt dies zu. Ich muss mich um nichts kümmern. Es sind schließlich kaum noch Boote draußen.

Noch ein Mal die herbstlichen Farben der Küste. Dann geht es langsam Richtung Hafen. Der Wind ist weniger und Findus wird langsamer. Kein Wunder, denke ich mir. Mein Schiff will auch nicht zurück in seine Box.

Doch nun segle ich für heute endgültig zurück und so der Sonne wieder entgegen. Ich liebe einfach dieses tiefliegende Licht, welches sie auf das Deck meines Bootes projiziert.

Ich bin dankbar für diesen Nachmittag.

1 Kommentar

  1. Liebe Marion,
    wunderschöne Fotos mit sehr schönen, emotionalen Gedanken, allesamt nachvollziehbar.
    Es ist immer wieder wie das nächste Kapitel eines Buches, wenn ich deine Gedanken lese.
    LG Katrin

    Antworten
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