Es ist einfach nicht dasselbe in der Förde. Fühlt sich für mich gänzlich anders an. Wieder habe ich den Satz eines Bekannten in Ohr: „Jeder segelt aus dem selben Grund.“ Nein verdammt. Absolut nicht. Jeder ist vollkommen anders ambitioniert, jeder hat eigene Bedürfnisse und Gefühle und jeder seine eigene Motivation. Vom Traditionssegler zum Fahrtensegler. Vom Regattafreak zum Hightechracer. Von der kleinen Jolle hin zum Luxussegler. Der eine mit allem Comfort und der andere minimalistisch. Der eine einsam und allein, der nächste mit großer Crew. Die Gründe zu Segeln sind mannigfaltig.
Es gehört vielleicht ein bisschen Glück dazu, unter all den unterschiedlichen Seglern wirklich Gleichgesinnte zu finden, die annähernd ähnlich denken und fühlen und dann auch noch bereit sind, ihre Erfahrungen und Gefühle da draußen zu teilen.
Diese Woche ist nur ein auf und ab, statt das Segeln, wonach es in mir drin verlangt. Der Wind ist mir zu viel, um nochmal aus der Förde und über den kleinen Belt zu kommen. Also geht es etwas planlos hin und her. Von Høruphav einmal Kurs süd nach Wackerballig.
Doch hier ist es laut. Der Hafen liegt frei und es pustet kräftig. Der Wind pfeift schrill durch die Masten. Findus schaukelt die ganze Nacht unruhig hin und her und Schwell klatscht permanent unter den Spiegel. Auch die Menschen sind anders. Es ist ein deutscher Hafen und deutsche Häfen sind ohnehin anders.
Ich möchte hier nicht bleiben. Möchte lieber zurück und noch ein paar Tage im dänischen Høruphav liegen. Doch für denn nächsten Tag sind Böen bis 25 Knoten angesagt. Ich bin unsicher. Möchte einerseits zurück nach Høruphav, anderseits ist mir der Wind zu viel.
Am späten Nachmittag scheint es ruhiger. Zumindest im Hafen. Wir entscheiden spontan und legen ab. Nach wenigen Meilen briest es dann aber doch wieder kräftig auf. Zu spät. Umkehren lohnt jetzt nicht.
Ich habe Respekt. Und Angst zu segeln. Doch ich kenne meinen Motor und habe im Augenblick mehr Vertrauen in ihn, wie ins Rigg. Ich ärgere mich. Am meisten über mich selbst und meine Unzulänglichkeit. Ich fühle mich klein und machtlos, während die Wellen Findus kräftig hin und her werfen. Wellen knallen gegen die Bordwand und Wasser spritzt ins Cockpit. Einmal, während Findus hinab ins Wellental rauscht, geht das Heck derart in die Höhe, dass die Schraube aus dem Wasser kommt und ins Leere dreht. Was für eine blöde Idee.
Doch dieser Gedanke ist schnell verflogen, sobald ich die Leinen in Høruphav fest mache und nach diesem Höllenritt unter Motor sicher im Hafen stehe.
An Abend möchte ich wie gewohnt zum Sonnenuntergang meine Flagge rein holen und staune nicht schlecht. Sie ist weg. Meine „Angie“ ist während der Überfahrt einfach still und leise über Bord gefangen. Ein komisches Gefühl.
Früh am Morgen werde ich geweckt. Es ist warm und mein Schott steht weit offen. Es klingt wie Musik in meinen Ohren. Die hiesigen Schwalben flattern aufgeregt von Leine zu Leine und zwitschern ihr morgendliches Lied. Ich werde diese Töne in der Morgendämmerung vermissen und halte sie deshalb hier noch einmal fest.
Zwei Tage bleibe ich noch in Høruphav, bevor ich mich nur wenige Meilen weiter in die Förde nach Sønderborg verhole. Der Hafen ist voll. Doch in der letzten Reihe erwische ich noch zwei Plätze für Findus und Lille Bjørn.
Ich bin nicht gerne hier. Es ist mehr ein Kompromiss. Der Hafen ist groß und laut. Unpersönlich und anonym. Wieder einmal flüchte ich in die umliegende Natur und lasse die Menschen auf ihren Yachten und Motorbooten hinter mir.
Ich spüre diese Enge in meiner Brust. Das Eingesperrt sein meiner Selbst. „Gehe in das Gefängnis. Gehe nicht über Los. Ziehe nicht 4.000 Mark ein.“ Mit innerlich hängenden Schultern füge ich mich.
Ich habe beschlossen traurig sein zu dürfen. Kein Lügen mehr, keine erfundenen Geschichten. Nur Ich. Und ich kann nunmal nicht leugnen, dass ich in dieser Welt, die nun wieder monatelang vor mir liegt, emotional nicht wirklich zurecht komme.
Ich blicke zum Mond, der groß und rund vor mir liegt. Ob er mich versteht?
Der nächste Tag ist wieder ohne Wind. Es ist Mittag. Lille Bjørn legt als erster ab. Ich stehe noch halb in der Box, wie ich bemerke, dass er nicht weiterfährt. Irgendwas stimmt nicht. Das Boot treibt zwar mit Motorgeräuschen, jedoch unkontrolliert langsam auf die nahe Steinmole zu. Die Achterleine ist in die Schraube gekommen und Lille Bjørn somit manövrierunfähig. Ich fahre aus meiner Box und werfe eine Leine rüber, um das Boot in die nächste Reihe zu ziehen, wo Jannik sich an einen Dalben stellt und es glücklicherweise schafft, den Propeller zu befreien.
Bei Flaute geht es weiter. Doch nicht nur Wind, auch der Strom ist gegen uns und mit null Knoten auf der Anzeige zeigt der Pfeil meines Schiffes auf der Route nach hinten. ETA weit nach Mitternacht. Es hat keinen Sinn. Ich starte erneut die Maschine und fahre dicht unter Land die Küste ab.
In Marina Minde bin ich vor genau fünf Wochen gestartet. Anfang und Ende meines diesjährigen Törns. Dazwischen liegen schöne Tage. Neue Häfen, bekannte Gegenden. Treffen mit netten Menschen, Gespräche. Wenn auch mein Herz schwer ist, so kann ich doch sagen, dass es eine verdammt schöne Zeit war.
Hier lasse ich nochmal alles Revue passieren. Gehe über den Schotterweg und genieße dabei dieses Geräusch, wenn bei jedem Schritt die Steine aneinander reiben.
Auch der Abend zeigt sich nochmal von seiner besten Seite und lässt die Sonne mein Gemüt erwärmen. Morgen ist es vorbei. Doch heute bin ich noch an Bord.
Der Morgen beginnt zögerlich. Ich will nicht los. Alles in mir sträubt sich. Zurück in Flensburg erwartet mich einfach nichts. Es wird dort nichts für mich geben. Auch diese Idylle hier an Bord wird im Stadthafen vorbei sein.
Doch nun ist es leider soweit. Es geht die letzten rund zehn Meilen zurück nach Flensburg. Zum Glück spielt das Wetter mit und beschert mir noch mal zweieinhalb wunderschöne Segelstunden mit blauem Himmel.
Mit Ostwind auf Halbwindkurs sind wir viel zu schnell. Doch ich lasse Findus laufen. Wieder hänge ich meinen Gedanken nach und lasse dabei den lautlosen Tränen auf meiner Wange freien Lauf.
Liebe Marion,
das Schwalbengezwitscher hab ich mir angehört, als ich im Bus saß und glücklicherweise Kopfhörer dabei hatte. Was für ein bekanntes Geräusch 😊……
Ich kann dir nachfühlen, dass du nach diesen 5 Wochen auf deinem eigentlichen Zuhause traurig bist, in die dir nicht so angenehme Realität zurückzumüssen.
Aber du schreibst so nachvollziehbar in Verbindung mit mit sehr schönen Fotos,…. schau es dir selbst immer wieder an.
Andere machst du damit glücklich 🙃