Leben. Lieben. Sein. So und nicht anders fühlt es sich an, wenn ich mit Findus raus komme. Raus aufs Wasser. Raus aus dem Hafen. Raus aus der Enge und dem ewig tosenden Lärm der mich an Land noch immer überall umgibt. Das Unechte, das Oberflächliche, das Scheinbare. Eine ständige Rolle, ein immerwährendes Müssen, ein unliebsames Tun.
Doch hier draußen herrscht lediglich diese besondere und wohltuende Stille. Eine natürliche Kraft, deren Schwingungen wie selbstverständlich mein Boot durch die See führen. Schwingungen, die auch ich in mich aufnehme und mit denen ich eins werde. Eins mit dem, was mich umgibt. Eine energetische Woge, die mich aufnimmt, mich trägt und anreichert mit neuen Impulsen. Hier draußen liegt mein Lebenselixier. Hier draußen liegt für mich das wirkliche Leben..
Und durch dieses Leben, was an Bord und auf See so pulsierend in mir entflammt, wächst und gedeiht die Liebe. Eine Liebe, die aus den Tiefen meines Herzen in mir empor steigt und die mich erfüllt mit Zufriedenheit und mit Glückseligkeit.
Angekommen im schieren Sein. Ohne Wenn und Aber und ohne Kompromisse. Ohne auferlegte Rollen, konditionierte Phrasen und ohne Erwartungen. Ohne Zwang und ohne vorgetäuschter Gefühle im Außen. Hier geht der Blick nach innen, obgleich die Augen in die Ferne sehen. Was ich hier draußen spüre, ist die Verbindung meines Selbst mit der Welt, die mich umgibt. So echt, so rein, so unverdorben.
Es gleicht einem Traum. Diesem einen Traum, der von Zeit zu Zeit zu meiner Realität wird und den zu träumen und zu Leben ich niemals müde werde. Was für ein unermessliches Glück, was für ein Geschenk und was für eine Chance. Diese Chance das Leben derart wahrhaftig leben zu dürfen.
Ich bin so unendlich dankbar dafür, denn was ich hier tue, geht für mich persönlich weit über das hinaus, was für viele Menschen lediglich ein Hobby zu sein scheint. Wobei ich sicherlich weiß, es gibt sie da draußen, die Segler, deren Herzen ähnlich schlagen und deren Gefühle den meinen auch ohne viele Worte sehr nahe sind. Doch in anbetracht der vielen ungeliebten und im Hafen vor sich hin siechenden Boote, keimt der Gedanke einfach immer wieder hoch, dass wir Menschen, die ein Boot, eine kleine oder auch große Yacht ihr Eigen nennen, in unseren Herzen nicht gleich schwingen.
Der Himmel strahlt heute in verführerischem Blau und die warmen Strahlen der Sonne geben einen gelungenen Vorgeschmack auf den nahenden Frühling. Kalendarisch nur noch wenige Tage, zeigt er sich heute bereits von seiner besten Seite.
Die Segelsaison lässt hingegen bei vielen noch etwas länger auf sich warten. Zwar sind hier und dort Segler in der Ferne zu erkennen, doch noch immer ist es leer auf der Förde. Ich liebe diese Zeit dazwischen. Eine Zeit, in der es bereits angenehm warm, jedoch noch immer ruhig auf See ist.
Heute geht es auf die Außenförde. Lange habe ich darauf gewartet, doch der Winter war lang und kalt. Graue Wolken und Regen beherrschten die freien Tage und meine Energie reichte oft nicht aus, mich selbst zu motivieren und bei eisigen Böen wohlwollend segeln zu gehen. Doch heute ist der Tag perfekt.
Verschwunden sind die kleinen Wehwehchen, mit denen ich mich seit geraumer Zeit herumschlage. Hier draußen ist Heilung und Findus fungiert als Heiler und Therapeut in einem, denn kaum bin ich am Bord und habe abgelegt, sind so viele zumeist unangenehme Themen wie weggeblasen. Ein Pusten meines Schiffes und die Welt ist wieder in Ordnung. Es ist schon etwas paradox, dass ich im Ungleichgewicht der welligen Wogen auf See mein eigenes Gleichgewicht wieder in Balance kriege.
Die Außenförde ist noch immer soetwas wie das Tor in die Freiheit. Die Wellen werden gleichmäßiger, der Rhythmus meines Bootes konstanter. Die Gischt kommt über und spitzt an Deck. Findus fühlt sich offenbar ebenso wohl wie ich. Er rennt und springt und teilt die See mit seinem spitzen Bug. Meile um Meile trägt er mich weiter hinaus. Der Anblick bringt mich zum Lächeln. Es ist so furchtbar schön hier draußen.
So blau, so endlos. Der Horizont lässt erahnen, wie unendlich die See ist. Die Weite, die Ferne. Da draußen im Nichts. Da möchte ich hin. Der Freiheit entgegen. Doch heute erhasche ich nur einen kurzen Blick. Ein Vorgeschmack auf das, was meine Träume noch zurückhalten.
Es ist ok. Auch wenn ich nichts auf der Welt lieber möchte, als immer weiter zu segeln, kenne ich doch meine Grenzen. Die Realität holt mich am Ende eben doch immer wieder ein und so genieße ich den Anblick noch ein wenig, bevor ich an Tonne 1 umkehre und meinen Weg zurück in die Innenförde antrete.
Was bleibt ist der Vorgeschmack auf die kommenden Törns. Die Vorfreude auf die Zeit auf See und das Wissen, da draußen werde ich wieder voll und ganz Sein. Gestärkt mit dieser Gewissheit fällt es mir heute nicht schwer umzudrehen.
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