12. August 2024
Planänderung und Polarlichter

Die letzten Tage waren unheimlich laut. Der Wind fegte über den Hafen und das Pfeifen in den Masten und das klagende Dröhnen hallte von allen Seiten wieder. Es war schwer nachts zur Ruhe zu kommen, denn das Zerren und Rucken an den Festmachern, hat mein Boot immer wieder hin und her geschubst. Nur langsam verlor der Wind seine Kraft und heute ist er endlich so weit runter gegangen, dass ich den Hafen von Höganäs wieder verlassen.

Noch im Hafenbecken hinter der Mole setze ich blitzschnell das gereffte Großsegel und nehme Kurs auf. Erstmal raus aus der Fahrrinne und dann soll es nach Süden gehen. Eventuell nach Kopenhagen. So ist zumindest der grobe Plan.

Gern würde ich nach Norden segeln und die Schärenwelt Westschwedens kennenlernen. Doch ich merke, dass ich noch nicht so weit bin. Vielleicht werde ich es auch nie sein und die Schären nie mit meinen eigenen Augen zu Gesicht bekommen. Der Gedanke stimmt mich ein wenig traurig, doch es spricht einfach alles dagegen. Die Zeit, mein noch nicht genügendes Können und die Tatsache, dass ich diesen Traum eigentlich nicht allein leben möchte.

In der Betonnung vorm Hafen ist die See recht kappelig. Klar, denke ich bei mir, hier im Flachwasser haben die anrauschenden Wassermassen nach unten hin zu wenig Platz und weichen deshalb nach oben aus. Ich hoffe, dass sich das ändert, wenn ich an der Gefahrentonne vorbei bin und halte, die Pinne fest in der Hand, den entsprechenden Kurs.

Doch die Dünung wird höher statt niedriger und die anrollenden Wellen kommen mit einer derart trägen Wucht daher, dass mir unheimlich ist. Ich mag diese Wellen nicht. Diese Wellen, die mit ihren rollenden auf und ab Bewegungen immer dichter kommen und mein Boot anheben, um es dann wieder hinter sich fallen zu lassen. Sie erscheint mir so mächtig, so groß und stark, dass sie mir in meinem kleinen Boot Angst einjagt. Quatsch, sage ich leise zu mir selbst, die Boote können das ab. Wirklich? Ist mein Boot wirklich nach 45 Jahren so eisern, dass ihm diese See nichts anhaben kann?

Doch nicht nur die alte Dünung, auch der Strom und die Windsee kommen auf mich zu. Auf Bildern wirken Wellen nicht. Doch wenn ich sehe, wie die PD meines Sohnes nur noch mit halben Kiel im Wasser ist und mit voller Wucht hinabgeworfen wird und ihre ungefähr drei Tonnen in die See fallen, um dann zwischen den Wellenbergen gänzlich zu verschwinden und ich lediglich den dünnen Mast sehe, ja, dann wird mir Angst und Bange. Ich will das einfach nicht. Ich will so nicht unterwegs sein. Ich will nicht kämpfen und mich beweisen müssen.

Ich will einfach nur, dass es aufhört. Ich will an Land. In einen sicheren Hafen. In diesem Augenblick habe ich einfach die Schnauze voll vom Segeln. Ich habe es satt alleine zu sein und ich bin es leid immer die volle Verantwortung tragen zu müssen. Ich will segeln und die Welt um mich herum genießen. Ich möchte einfach mal nur mit sein. Ich will einfach nicht mehr.

Auf direktem Weg geht es zurück nach Gilleleje. Erstmal fest und dann überlegen, wie es weitergeht.

Selbstzweifel machen sich breit und eine ungeahnte Müdigkeit schleicht sich ein. Ich merke, wie mich diese zwei Stunden fertig gemacht haben. Wie sie mich ausgelaugt und leer zurück gelassen haben. Sollte ich das Segeln wohlmöglich aufgeben? Auch diesen Traum begraben und mich selbst aufgeben? Ich fühle mich schlecht, könnte heulen und weiß nicht wohin mit diesem Gefühl.

Irgendwie muss ich mir heute noch was Gutes tun und verzichte deshalb darauf, an Bord zu essen. Heute gönne ich mir Essen außer Haus und ein Eis hinterher.

Es ist einfach scheiße, wenn alles was ich mir vornehme, was ich mir wünsche, wonach ich mich sehne, worauf ich hoffe, wenn alles sich gegen mich stellt. Was ist passiert, dass nichts mehr fließt? Wo liegt der Fehler? Ich verstehe es nicht. Wahrscheinlich habe ich zu sehr versucht nach den Sternen zu greifen. Vielleicht bin ich zu hoch geflogen ohne an die Landung zu denken und nun befinde ich mich im freien Fall. So ähnlich fühlt es zumindest an.

Der Abend kommt früh. Das hat den Vorteil, dass ich nicht allzu lange am Abend auf meine geliebten Sonnenuntergänge warten muss.

Ich streife also durch den Hafen. Mittlerweile geht es mir wieder etwas besser, wenngleich ich noch keine Idee habe, wie es weitergehen soll. Oben rum zurück? Oder doch den Øresund nach Süden befahren?

Jetzt liegt das Wasser relativ ruhig vorm Hafen. Jetzt könnte es weitergehen. Doch nun ist der Tag nahezu vorbei.

Polarlichter soll es heute Nacht noch mal geben. Gestern in Höganäs tanzten sie bereits, doch der Himmel war mit Wolken verhangenen, so dass man ihre Schönheit im Lilagrau des Schleiers nur erahnen konnte. Ob ich heute Nacht wach bleiben kann, weiß ich noch nicht. Die letzte Nacht war doch bereits so kurz.

Doch kurz vor Mitternacht sehe ich aus dem Schott in Richtung Norden und da sind sie. Herrlich leuchtende Polarlichter. Ein wolkenloser Himmel gibt den Blick frei für dieses unglaublich schöne Naturschauspiel und plötzlich bin ich froh, dass es heute nicht weiter ging und ich statt in Kopenhagen hier in Gilleleje bin.

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