31. Juli 2023
Besser spät als nie

Ich bin müde. Die letzte Nacht war laut und unruhig. Permanent hat es in vollen Zügen geregnet und ordentlich gepustet. Wieder und wieder bin ich von Rucken der Leinen und dem tiefen Ton der schweren Tropfen an Deck aufgewacht und habe sie noch lange im Halbschlaf vernommen. Ich liege also noch auf meiner Koje und aktuell fehlt mir einfach die Kraft. Ach was solls, denke ich mir, dann bleibe ich erstmal und drehe mich einmal um. Dennoch beschäftigt mich im Schlummern die Frage, ob ich, wenn ich weiterfahre, eher nach Nordost oder Nordwest aufbrechen soll. Ich liege mit meinem Boot mitten in der Südsee und irgendwie steht mir von hier aus alles offen. Kurze Schläge reizen mich jedoch einfach nicht und das Südsee Hafen Hopping nervt mich nur. Der Kampf um die teilweise wenigen Plätze, früh los, um nach nur zwei Stunden auf einer der begehrten Inseln festzumachen, hat für mich nicht viel mit Segelurlaub zu tun.

Es regnet mal wieder, während diverse Schiffe den Hafen verlassen. Eilig müssen sie es haben, dass sie nicht einfach diesen kräftigen Schauer abwarten können. Die ersten Boote kommen sogar auch schon rein. Wo mögen sie herkommen, dass sie derart früh schon einlaufen? Ich verwerfe den Gedanken schnell wieder, denn es geht mich nichts an. Sie alle werden ihre Gründe haben für das, was sie tun. So wie auch ich. Ich lege mich wieder auf die Koje und schließe die Augen. Nach Nyborg? Nordost. Und dann? Welche Zwischenstationen gibt es, wie könnte es weitergehen? Der Wind dreht auf Süd, ein Zurückkommen nach unten wird dann schwieriger. Möchte ich die entsprechenden Häfen dort anlaufen? Dort kreuzen? Oder fahre ich zum wiederholten Male westlich hoch? Auf dem Lillebælt habe ich für meinen Geschmack mehrere Häfen, die ich guten Gefühls anlaufen kann. Verzichte ich also auf den Storebælt und bleibe vorerst auf der Westseite Fyns?

Ach scheiß drauf, um kurz nach 15 Uhr werfe ich dann endlich die Leinen los. Der Wind hat sich etwas beruhigt und sein Pfeifen signalisiert wieder Höchstwerte bis zu 20 Knoten. Perfekt. Der Himmel lichtet sich, blaue Lücken sind erkennbar und auch der nächste Regen soll etwas weiter südlich durchgehen. Wenn also nicht jetzt, dann stehe ich wohl wieder nur unnötig rum und dazu habe ich keine Lust.

Das Ziel ist mal wieder Assens. Hier weiß ich, es gibt genügend Plätze. Die Hafeneinfahrt ist riesig und bietet die Möglichkeit, auch bei Wind und Welle auf dem Belt, die Segel in Ruhe im Hafen bergen zu können. Der Plan steht also und ich bin erleichtert.

Die See ist unruhig und der Wind gerade noch genug, um sich nicht festzustampfen. Findus hüpft durch die anrollenden Wassermassen und wirft sich ins Getöse, während ich mich zurücklehne und froh bin, doch noch losgefahren zu sein. Hier draußen ist kaum einer unterwegs. Vor mir und hinter mir sehe je ein Doppelpack weißer Segel. Zwei Boote, die auch auf dem AIS zu sehen sind. Von querab schaukelt ein kleiner Segler unter Maschine heran. Sonst ist Ruhe auf dem Lillebælt. Herrlich. Genauso liebe ich es. Keine Sau ist unterwegs.

Die dunklen Wolken um mich herum und auch die auf dem Regenradar angezeigten Wolkenbrüche verziehen sich zum Glück oder gehen hinter mir durch. Die Wolke vor mir jedoch scheint mir Angst machen zu wollen. Wie der Teufel persönlich blickt sie auf mich herab. Will sie mir drohen? Mich warnen? Ich will nichts heraufbeschwören und ziehe sicherheitshalber erstmal mein Ölzeug an.

Kurz vor Torørev habe ich es dann doch etwas eiliger. Der Wind hat nach gelassen und die Segel sind mittlerweile geborgen. Das Dunkel holt auf und ich bin nicht ganz sicher, ob es mich verschlucken will. Achterlich sehe ich das Gelb der sich neigenden Sonne. Sie versucht mit aller Kraft sich nicht unterkriegen zu lassen.

Ich schneide das Rev jetzt etwas und auch Asnæsrev kürze ich etwas ab. Den Tiefenmesser dabei immer im Auge beschleunige ich die Drehzahl. Ich möchte nicht nass werden. Nicht mehr auf der Zielgeraden.

Ich sehe, wie sich der Regen aus der Wolke befreit und in Strömen ins Meer fällt. Noch ist er etwas entfernt, doch in nicht allzulanger Zeit könnte er hier sein und sich über mich und mein Boot ergießen. Doch wenn er jetzt schon fällt, vielleicht habe ich dann Glück und die Wolke löst sich auf, noch bevor sie mich erwischt.

Ich kann es kaum glauben. Ich komme tatsächlich trockenen Fußes in Assens an und nachdem ich angelegt und bezahlt habe, bleibt mir sogar noch Zeit, einen traumhaft schönen Sonnenuntergang zu genießen, bevor es im Anschluss beginnt, die gesamte Nacht durchzuregnen.

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