Endlich bietet der November, nach all seinen grauen und windigen Tagen, ein Zeitfenster, was es mir möglich macht, auf‘s Wasser zu kommen. Bei strahlend blauem Himmel verlasse ich vormittags den Hafen. Zuvor hatte ich bereits das Glück, den heutigen Sonnenaufgang von dänischer Seite aus genießen zu können, doch nun brauche ich mein Boot und das zarte Plätschern, was bei geringer Fahrt durchs Wasser am Rumpf entsteht.
An Bord ist noch alles feucht vom Morgentau. Das Deck, das Cockpit, die Sprayhood. Nur ganz langsam schwinden die morgendlichen Tropfen. Alles ist nass. Doch das nehme ich heute gern in Kauf.
Es ist still auf der Förde. Kaum eine Menschenseele ist draußen. Nur drei, vier weitere weiße Segelpaare entdecke ich in der Ferne. Ansonsten ist nichts los auf der Förde. Keiner ist unterwegs. Wintersaison eben.
So wirklich werde ich es wohl nie verstehen. Die Boote liegen im Winter im Wasser und werden nicht ein einziges Mal bewegt, geschweigedenn gesegelt. Von einigen wenigen weiß ich, dass sie einen weiten Anfahrtsweg haben und ihr Boot im Hafen überwintert, weil es einfach kostengünstiger ist. Sie kommen auch in den warmen Monaten nur vorbei, wenn sie ein paar Wochen Urlaub am Stück haben. Von anderen weiß ich, dass sie altersbedingt weder im Sommer, noch im Winter ihr Boot bewegen können. Sie bringen es nicht übers Herz es zu verkaufen und so liegen ihre Boote einsam am Steg. Doch all jene, die Zeit hätten und in der Nähe, wenn nicht sogar direkt vor Ort wohnen, selbst sie sind nicht da. Verspüren kein Verlangen nach ihrem Schiff und haben kein Bedürfnis zu segeln.
Ein Hafenmeister sagte vor Jahren einmal, dies sei der Hafen der Einsamen. Leider hat er recht damit. Denn genau so ist es noch immer. Jeder ist für sich. Im besten Fall gibt es im Sommer kurze Steggespräche. Über Erneuerungen am Boot, die während des Winterlagers vorgenommen wurden. Über Pläne für den Urlaub und anschließend über das Erlebte. Man kennt sich, doch hat nicht wirklich etwas miteinander zu tun.
In diesem November war es bislang überwiegend grau und düster. Ähnlich wie meine Stimmung. Doch heute ist es endlich blau draußen. Am Himmel zeigen sich nur wenige Wolken. Später soll es dann wieder erneut zu regnen beginnen. Die Zeit bis dahin nutze ich.
Es ist nur wenig Wind, doch das kommt mir sehr gelegen. In der kalten Jahreszeit dümpel ich gern vor mich hin. Die Stille ist einfach schön und die Sonne im Nacken hat bei geringer Wind sogar genügend Kraft, um mir ein wenig Wärme zu spenden. Welle und Böen empfinde ich niedrigen Temperaturen fehl am Platz.
Ich mag diese November Tage, an denen ich allein unterwegs sein kann und die Atmosphäre hier draußen genießen kann. Nur Heinrich durchdringt diese Ruhe gelegentlich, wenn er das Schiff auf Kurs halten möchte. Ein kurzes „Krsch, Krsch“ seinerseits und schon ist wieder Ruhe. Nur das vertraute und leise Plätschern am Rumpf ist noch zu hören.
Ich fahre meine Wenden und Halsen und fahre einfach hin und her. Mal habe ich den Wind von Achtern, mal von vorn. Mal wärmt mich die Sonne, mal lässt der Wind mich spüren, dass es tatsächlich Ende November ist.
Auch an Findus gehen die feuchten Herbsttage der vergangen Wochen nicht spurlos vorbei. Auch auf meinem Schiff entdecke auch ich Stück für Stück die unschönen Spuren der noch jungen Wintersaison. Im Hafen zurück werde ich was tun müssen, damit Findus nicht grün und spakig wird.
Noch 1,5 Stunden drehe ich das erste Mal um und halte jetzt direkten Kurs Richtung Hafen. Auf dem Am Wind Kurs spüre ich nun deutlich, dass es kühl ist. Meine Hände sind weiß und faltig von der Kälte.
Findus kommt nochmal gut in Fahrt und es geht mir trotz der Frische viel zu schnell.
Kurz vorm Hafen wende ich noch einmal und umrunde Findus‘ Lieblingstonne. Erst dann fahre ich rein…
Man mag gar nicht glauben, dass hier ein Novembertörn zu sehen ist.