27. Januar 2023
Einfach ein Tag im Januar

Das viel zu lang währende Problem mit der ewig tropfenden Seewasserpumpe ist endlich behoben. Eine neue wurde jetzt durch den Monteur der Motorfirma eingebaut und diesmal scheint tatsächlich alles dicht und trocken zu sein. Ich hoffe das Beste und schließe das Thema Motor innerlich vorerst ab.

Es ist noch immer Januar. Noch immer ist es Winter und die meiste Zeit ist es grau und unangenehm draußen. Es zieht sich wie jedes Jahr ewig und die schönen Tage sind viel zu rar, sodass ich versuche zu nutzen, was immer sich mir an Möglichkeiten bietet. Mich zieht es also heute endlich mal wieder trotz der Frische auf die Flensburger Förde. Endlich wieder ein paar Stunden segeln. Ich bin einfach kein Landmensch. Das war ich noch nie. So gern ich auch in der Natur unterwegs bin und sich definitiv auch an Land schöne Ecken und Plätze zum Entspannen, Erholen und Verweilen finden, auf dem Wasser fühlt es sich dennoch weitaus richtiger an. Hier fühle ich mich einfach zu Hause.

Heute bin ich froh und dankbar darüber, dass ich vor ein paar Jahren den Mut gefasst und mein Leben grundlegend verändert habe. Raus aus der kleinen Vorstadt im Hamburger Speckgürtel und ans Wasser gezogen bin. Nah genug, um tagtäglich bei meinem Boot sein zu können und unabhängig einfach ein paar Stunden aufs Wasser zu kommen. Was für ein persönlicher Luxus, für den ich mehr wie dankbar bin und den ich durchaus sehr zu schätzen weiß. Die kleine Freiheit. Oder auch die kleine Schwester der großen Träume vom weitem Meer. Die mir vergönnte Möglichkeit einen Teil meines Traumes zu leben.

Es ist still hier draußen. Ein perfekter Segelwind weht mit 12 bis 16 Knoten aus östlicher Richtung und wie meistens um diese Jahreszeit ist kein Mensch und kein Boot auf der Förde unterwegs. Ich bin alleine und liebe diese Momente. Keine Rolle spielen müssen und nur mir selbst genügen. Wie immer dauert es nur kurz, bis ich bei mir selbst ankomme und den Moment genießen und vor allem intensiv leben kann.

Die Segel stehen gut und Findus gleitet durchs Wasser. Ich kenne mein Boot. Kenne seine Reaktionen, seine Geräusche. Ich bewege mich blind und ohne zu nachzudenken und spüre jede noch so kleine Veränderung. Ich fühle den Wind. Nicht nur mit einem leichtem Stechen, wenn er mir kalt ins Gesicht weht, sondern auch durch die Kraft, mit der er mein kleines Boot in Bewegung setzt. Ich nehme die leichte Schräglage wahr und spiele mit den Segeln, um den Druck im Schiff zu so zu verändern, dass es sich perfekt anfühlt. Ich gehe dabei nicht nach erlernten und theoretischen Parametern, sondern ausschließlich nach meinem Gefühl. Was sich gut anfühlt ist richtig.

Ich möchte ohne Angst oder unguten Gedanken unterwegs sein. Ich möchte mich vortasten und meinen Platz finden und von dort aus zum nächsten Schritt über gehen. Selbstbestimmung ist es, die ich am alleine Segeln so schätze. Ich bin niemandem ausgeliefert, der von außen darüber bestimmt, was mir zu gefallen hat. Kein Skipper entscheidet mit seinem eigenen Gefühl über mein Empfinden. Kein weiterer Segler sagt mir, wann ich was zu tun oder zu lassen habe. Ausschließlich mein Gefühl verrät mir die nächsten Schritte und heute heißt dieser Schritt Entspannung.

Während Findus mit kontinuierlichen zwanzig Grad Krängung durchs Wasser rauscht, mache ich mir in der Pantry einen Cappuccino und lehne mich anschließend im Cockpit zurück. Ich atme tief durch und all die Gedanken, die mir an Land permanent durchs Hirn spuken lösen sich auf. Keine Mutterrolle, keine verschmäte Liebe, kein nötiger Job. Einfach keine Verpflichtung, die an mir zerrt. Nur der Wind, der mein Schiff voran bringt und mir so ein Gefühl von echtem Leben schenkt.

Daysailing. Die Möglichkeit raus zu kommen und für ein paar Stunden abzuschalten und anzukommen. Sicher liegen meine wirklichen Träume woanders und die heimische Förde bietet nicht das Ende meiner Erfüllung. Doch sie ist, besonders im Winter, die Chance im Kleinen zu leben, was ich im Großen noch vor mir sehe. Sie ist der Übungsplatz für meine noch weit vor mir liegenden Ziele.

Doch wie so oft ist auch heute beim Beginn des ehemaligen Fahrwassers zwischen dem Tonnenpaar 12 und 11 Schluss und ich muss mich damit anfreunden umzukehren. Meine Träume und Ziele vor mir liegen zu lassen ohne ihnen entgegen zu segeln. Die Sehnsucht mischt sich mit einem Hauch Wehmut, doch es hilft nichts.

Der Wind hat bereits beim letzten Kreuzschlag stark nachgelassen und Findus nur noch langsam voran getrieben und jetzt verschwindet er völlig. Eine warme Flaute umgibt mich nun und die Segel schlackern immer mehr. Kein Druck ist mehr in ihnen. Keine Kraft mehr. Ich sehe ein, dass es für heute mit dem Segeln vorbei ist.

Einen Augenblick lang lasse ich mich noch treiben. Ich bin noch immer vollkommen alleine unterwegs und meine Augen werden nur begrenzt durch das Land um mich herum, nicht aber von hektisch umherziehenden Menschen, lautem Geschnatter oder motorisierten Fahrzeugen. Nur zartes Pätschern ist zu hören, wenn das Wasser an den Rumpf meines Schiffes schwabbt und zurückgestoßen wird. Ich liebe dieses Geräusch und schließe die Augen um es in mich aufzunehmen.

Bevor ich die Segel berge, genieße ich das sanfte Treiben. Ohne Wind ist es recht warm jetzt. Die Wintersonne hat Kraft und ich beschließe noch ein paar Minuten zu bleiben und die warmen Strahlen mich wärmen zu lassen.

Eigentlich möchte ich weiter segeln, doch so sehr ich die eben noch hochgepriesene Selbstbestimmung schätze, an Bord ist sie vorbei, wenn der Wind dies bestimmt. Ohne den leistesten Hauch von Druck im Boot treibt mein Schiff nur noch unwillkürlich hin und her. Es hat wenig Sinn und ein Blick auf den Stand der immer niedrig stehenden Sonne verrät mir, dass ich wohl doch in wenigen Minuten die Maschine starten muss und unter Motor den Weg zurück zum Hafen verbringe.

Dies hier ist keine heiße Karibik, kein begehrtes Mittelmeer und auch nicht der traumerweckende Atlantik. Es ist nur die kleine und beschauliche Flensburger Förde, doch heute reicht sie mir und macht mich glücklich. Sie schenkt mir ein wunderbares Gefühl und lässt mich leben ohne den Wunsch zu verspüren, genau in diesem Moment an einem anderen Ort sein zu wollen.

Während ich die Segel zusamnen lege und Heinrich langsam den Kurs hält kommt mir ein Gedanke. Wir haben noch immer einen leicht erhöhten Wasserstand von 20 cm über normal und dazu jetzt eine absolute Flaute. Ich könnte es heute wagen. Ich könnte es wagen und das erste Mal zwischen der großen und der kleinen Ochseninsel durchfahren. Dort ist es flach und die tiefste Stelle zeigt unter zwei Meter. Mit meinem Tiefgang von 1,40m bleibt da nicht viel und ich bin kein Freund von zu flachen Gewässern. Doch mein Entschluss steht und ich nehme Kurs auf.

Ein Stegnachbar hat es mal gemacht und in Navionics einen hinderlichen Stein auf einer Wassertiefe unter 1,50 Metern markiert. Ansonsten ist freie Fahrt. „Nur Mut“, meinte Felix neulich erneut und mein Ehrgeiz will es nun selber auch wissen.

Eingekuppelt mit einem Knoten Geschwindigkeit taste ich mich langsam voran. Das Echolot an Bord im Blick und immer wieder außerbords sehend, wird es flacher. Immer flacher. Die Tiefe unter mir schwindet und die Zahl auf der Anzeige wechselt im Sekundentakt. Ein Meter. Neunzig Zentimeter. Achtzig, siebzig, sechzig. Bei vierzig bleibt sie stehen. Das kommt hin. Etwa auf 1,40m habe ich meinen Tiefenmesser eingestellt, 40cm sind noch unter mir und 20cm sollen erhöhter Wasserstand sein. Passt also mit der Angabe von 1,50 bis 2,00 in der Seekarte.

Das Wasser ist klar und der Grund ist deutlich zu erkennen. Sand und Muscheln liegen unter mir und selbst wenn ich hier festkäme, würde es keinen Schaden an meinem Boot verursachen. Es ist nichts außergewöhnliches da unten und doch fühlt es sich nicht unbedingt entspannt an. Ich bin froh, wie die Tiefe wieder zunimmt und ich die Geschwindigkeit wieder erhöhe und aus dem Flachwasserbereich raus bin.

Immerhin habe mir selbst heute etwas Neues zugetraut und diese kleine Challenge für mich bezwungen. Der Respekt vor flachem Wasser rührt aus den Anfängen, wo wir vollkommen unwissend in Sachen Segeln und dazu Findus mit seinem alten und defekten Motor manövrieunfähig aufs Ufer getrieben wurden und so unsere erste Fahrt ein abruptes Ende auf ähnlichem Grund nahm. Heute bin ich um viele Erfahrungen weiter und die Maschine ist neu. Mein Mut wächst stetig und jede Überwindung lässt mich innerlich wachsen. Ich feiere meine kleinen Erfolge und freue mich so auf die nächsten.

Die Sonne neigt sich und langsam spüre ich die Kühle. Es wird frisch und ohne Wind und mit Motorkraft macht es vor der Haustür nicht wirklich Spaß. Der Rückweg sollte eigentlich zügig gehen, doch irgendetwas stimmt nicht. Findus hat keine Kraft. Selbst bei voller Last kommt mein Boot nicht wirklich aus dem Quark. Die Umdrehungen stagnieren bei 2800, wobei ich normal auf 3500 komme. Die Lage des Hebels macht zwischen 15.00h und 17.00h keinerlei Unterschied. Weder in der Geschwindigkeit, noch in der Höhe der Umdrehungen. Ein paar Mal probiere ich es noch, bis ich mich ergebe und mit unter fünf Knoten und einem erneuten Gedankensalat im Kopf Richtung Hafen motore.

Vielleicht liegt es am Ventilspiel, was der Monteur letzte Woche eingestellt hat. Es war zu hoch eingestellt und er hat es etwas gedrosselt. Seitdem haut der Motor stark und springt auch nicht mehr so fix an, wie bevor er behandelt wurde. Ich merke bei solche Aktionen immer wieder, dass mein aktuelles Wissen noch lange nicht ausreicht, um wirklich ein Urteil abgegeben und so mit reden zu können.

Die letzten Meilen verdränge ich schnell die leicht ängstlichen Gedanken bezüglich meines Motors, genieße lieber das sich mir bietende Licht an diesem frühen Abend und bin einfach zufrieden mit mir und diesem wunderbaren Tag.

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