7. Dezember 2022
Endlich Sonne

Seit Tagen nur Grau. Seit Tagen keine leuchtenden Farben, die die Welt um mich herum erhellen. Und seit Tagen das Bedürfnis, endlich mit mir und meinem kleinen Boot alleine raus zu kommen. Raus aus dem Hafen. Raus aus der trüben Einheitssuppe. Raus aus dem Alltag, der in der dunklen Jahreszeit noch viel schwerer wiegt wie ohnehin schon.

Heute zeigt sich plötzlich und überraschend endlich mal wieder die Sonne und schon am Vormittag, während der Arbeit, fiebere ich dem kurzen Nachmittag entgegen und werde ganz ungeduldig bei dem Gedanken, ein paar Stunden mit Findus rauskommen zu können. Ich liebe es in der Wintersaison allein auf der Förde zu sein.

Bin ich im Sommer doch lieber auf Gewässern unterwegs, wo ich wenig bis gar kein Land zu Gesicht bekomme und fühle mich insbesondere auf der Flensburger Innenförde ziemlich eingeengt durch die unzähligen Boote, deren Segel mir von allen Seiten entgegen leuchten, so liebe ich ebendiese Innenförde, mit ihrer für mich spontanen Möglichkeit mal eben nach Feierabend eine kleine Runde mit dem Boot zu drehen doch umso mehr im Winter.

Die einzigen Segel die heute im schon früh untergehenden Sonnenlicht leuchten sind Findus‘ Segel. Weit und breit ist keine Menschenseele unterwegs. Weit und breit kein Segler, kein Motorboot. Beim Rausfahren aus dem Hafen hat lediglich der Fischer sein kleines Dreieck aus Netzen kurz hinter der Hafengrenze gelegt. Nach Nordosten hin jedoch habe ich freie Sicht und der Anblick stellt ein Gefühl der Zufriedenheit in mir ein.

Es ist einfach schön allein draußen zu sein und es verleiht mir eine Illusion dessen, was ich mir auch im Sommer so oft erträume. Es sind nicht die großen Reisen. Nicht die ewigen Tage ohne Land in Sicht. Es ist keine Atlantiküberquerung oder die klaren Wasser der Karibik die mich reizen. Nein. Es ist der kühle Norden. Die Archipele der skandinavischen Länder. Die Schärenwelt mit ihren stillen Buchten und geheimen Ankerplätzen. Stein und Felsen und die öde Landschaft mit ihrer Robustheit und Einfachheit.

Die Wintersaison rückt diesen Traum des Segelns in kühleren Regionen von Jahr zu Jahr weiter in mein Gedächtnis. Die klare Frische der Winterluft, das leichte Stechen der Kälte auf meinen Wangen und der Wasserdampf aus meinem Mund, der beim Atmen meine Brillengläser beschägt und mich wieder und wieder die Brille absetzen lässt, haben ihren besonderen Flair und halten mich nicht davon ab, auf dem Wasser sein zu wollen.

Meinen Traum schiebe ich derweil zur Seite, da er auch für die nächsten paar Jahre vorerst auf sich warten lassen muss. Als Frau und Mutter ist man nunmal nicht wirklich frei, auch wenn ein gewisses Maß an eben genau dieser Freiheit in unseren Breitengraden oft und gern suggeriert wird. Die Wahrheit sieht in der Realität nun mal anders aus. Doch das ist ein weites Feld und ich schiebe diese Gedanken schnell wieder zur Seite, um mich dem Hier und Jetzt zu widmen und den Moment in mich aufzunehmen.

Es ist noch früh am Nachmittag, doch die auch in Winter traumhaft wärmende Sonne macht sich bereits auf den Weg den Tag zu verlassen und hinter der Stadt zu verschwinden. Bevor sie sich jedoch verabschiedet, hüllt sie ihre Umgebung in ein warmes gelbes Licht, was vielleicht vergessen lassen soll, dass es jetzt, ohne die Umarmungen ihrer warmen Strahlen, wirklich kalt wird.

Meinen Kurs habe ich nach nur dreieinhalb Meilen bereits geändert und kreuze nun zurück auf die deutsche Seite der Förde. Viel Zeit bleibt zu dieser Jahreszeit unter der Woche nicht. Zwei, mit Glück auch drei Stunden nach Feierabend, dann ist es längst dunkel. Ich weiß meine Möglichkeiten, dies hier tun zu können, durchaus zu schätzen und bin froh und dankbar über diese Chance, so dem tristen Alltag für kurze Zeit entfliehen zu können.

Langsam und mit nur durchnittlich zwei Knoten segle ich gemütlich dem orangenen Licht entgegen. Noch ein Vorteil des Winters. Ich muss nicht ewig wach bleiben, um den Sonnenuntergang in all seiner möglichen und farblichen Darbietung zu erleben. Den Rest meines zweieinhalb Stunden währenden Nachmittagtörns genieße ich nun das Licht und die Farben vor und hinter mir und lächle zufrieden vor mich hin.

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