6. Juni 2021
Kalkgrund

Rund zwanzig Meilen sind es von Heimathafen bis zum Leuchtturm und ich habe so unendliche Sehnsucht. Nun bin ich so nah dran und kann doch nicht weiter. Der Schmerz in meinem Herzen, gefangen auf der Förde und gefangen in meinen Verpflichtungen, treibt mir nicht selten Tränen in die Augen.

Doch jetzt bin ich hier. Ganz in der Nähe und ich muss ihn einfach sehen. Muss wenigstens einmal ins Offene blicken, bevor ich zurück segel. Muss mich nur kurz vergewissern, dass es da ist. Das Leben.

Dunkler Himmel

Noch ist der Himmel dunkel, doch die schwere Wolkendecke schiebt sich langsam von dannen. Hier und da reißt der Himmel sogar auf und die Sonne lässt sich erahnen.

Die Sonne kommt

Von Südosten her wird es hell. Die Wolken reißen mehr und mehr auf und die Sonne spiegelt sich im Glitzerwasser. Der Tag wird. Noch ist es früh und die Zeit ist ausnahmsweise mal auf meiner Seite.

Ich segel Richtung Nord. So viel Zeit muss sein. Den Umweg von knapp zehn Meilen nehme ich nur zu gern in Kauf. Meine Tochter schläft noch und ihr Handyakku ist auch voll. Mir bleibt also genug Zeit.

Kurs Nord

Mein Herz klopft. Jetzt sehe ich ihn. Er kommt kommt dichter. Nur noch eine Meile, dann bin ich da. Sein Anblick lässt mein Herz schlagen. Es klingt verrückt. Es ist doch nur ein bekloppter Leuchtturm am Eingang der Flensburger Außenförde. Oder am Ende?

Kalkgrund voraus

Wunderschön und prächtig steht er da. Umgeben von Wassermassen. Beständig. Stolz. Verlässlich. Ich mag Leuchttürme. Doch dieser hier ist was besonderes. Er ist soetwas wie der Wegweiser ins Leben.

Fischerfähnchen

Um den Kalkgrund herum ist es flach. Hier ist der zwei bis fünf Meter Bereich und während ich dichter komme, bemerke ich die Fischerfähnchen, die mir den versperren. Ich falle 10° ab, um nicht in ihren Netzen zu landen.

Kalkgrund querab

Der Wind ist eher mäßig und die See kommt mit trägen und langen Wellen daher. Immerhin ist die Sonne gnädig und meint es gut mit mir. Sie kommt trotz schlechter Vorhersage noch hervor. Fast so, als wolle sie mir den Weg weisen. Mein Boot schaukelt. Wird hin und her geschubst von den daher rollenden Wasserhügeln. Mit dreieinhalb Knoten gleitet Findus hindurch und trägt mich zu meinem Ziel.

Just love this lighthouse

Jenseits dieses Wahrzeichen liegt das Glück. Zumindest ein Teil davon. Südlich die deutsche Küste. Die Zufahrt zum Nordostseekanal, der künstlich erschaffenen Abkürzung, und somit in die Nordsee mit ihren traumhaften Inseln und Halligen. Nördlich die dänische Südsee, das Kattegat und Skagen. Und nordöstlich liegt Schweden mit seiner märchenhaften Schärenlandschaft. All meine Träume.

Doch heute erhasche ich nur einen kurzen Blick. Meine Träume müssen warten. Sie kollidieren mit meiner Mutterrolle. Ich muss mich fügen.

Offene Ostsee

Ich segel noch eine Meile weiter. Nicht nur um den Anblick der weiten Ostsee noch für ein paar Minuten auf mich wirken zu lassen und mich zumindest der Illusion hinzugeben wenigsten einmal, wenn auch nur einen winzigen Moment, draußen gewesen zu sein.

Ansteuertonne

Ich umrunde die Ansteuertonne der Flensburger Förde und nehme Kurs Richtung zurück. Ich kann nicht sagen Richtung Heimat, denn meine Heimat ist das Meer, nicht die Etagenwohnung im zweiten Stock eines mich anbiedernden Wohnviertels.

Der Wind ist eingeschlafen und raumschots mache ich nun lange Schläge vor dem Wind. Dabei steuere ich direkt auf die alte Seebrücke von Quern zu. Hier war ich vor ein paar Tagen erst von landseite aus.

Alte Seebrücke

Die alte Seebrücke wurde 1978 erbaut und diente u.a. der Überfahrt nach Ærø. Auch legten dort Boote mit dem Zweck von Butterfahrten nach Sønderborg an. Seit 1994 ist die Brücke außer Betrieb und nur noch die kräftigen Holzpfeiler erinnern an diese kurze Epoche.

Seebrücke von Landseite

Der Wind schläft ein und es scheint, als schaffe die Flaute von achtern es nicht, genug Wind zu bringen. Nur spärlich komme ich voran, wenngleich ich auch dreieinhalb Knoten auf der Logge habe. Ich genieße jede Sekunde. Jedes Schaukeln, jede Welle. Von Quern an mache ich einen langen Schlag bis hin zur Schwiegermutter.

Hier treffen unzählige Boote aufeinander. Die Einfahrt zur Innenförde ist verhältnismäsig eng. Doch ich habe Zeit. Nehme sie mir, obwohl meine Tochter unter Deck wieder und wieder fragt, wann wir denn endlich da sind. Ich segel weit genug außen und lasse anderen Seglern den Vortritt. Lieber mache ich lange Schläge, um so dem lästigen Raumschotkurs zu entgehen und etwas mehr Halbwind segeln zu können.

Schwiegermutter

Nun bin ich wieder zurück. Zurück im heimischen Gewässer. Vertraute Runde sozusagen. Das Wochenende ist vorbei. Nicht alles verlief optimal. Doch immerhin war ich draußen. Habe mein Ziel, den Kalkgrund, letztlich erreicht und das Offene, die Weite, für einen winzigen Augenblick gesehen.

Innenförde

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