Es ist acht Uhr. Heute wollte ich mir Zeit lassen. Wollte ganz in Ruhe aufstehen und langsam los segeln. Doch kaum bin ich wach und werfe einen Blick auf das Wetter, erfährt der Plan auch schon eine Änderung. Ab Mittag kann mit kräftigen Gewittern und Hagel gerechnet werden. Wir haben zwar nur 17-18 Meilen vor uns, doch in Anbetracht des Windes werden selbst das mehr wie fünf Stunden sein.
Hier bleiben wollen wir nicht. Juelsminde war ohnehin eine Ausnahme. Hätte Torben sich nicht gemeldet, wäre ich gar nicht weiter nördlich gekommen. Gott sei Dank hat er sich gemeldet und wir konnten uns hier treffen.
Torben hat sich bereits verabschiedet. Schnellstmöglich verlassen auch wir nun mit zwei Booten den Hafen. Lille Bjørn hat das Problem, dass der Motor nach nur kurzer Zeit unerklärlich heiß wird und im Hafen beim Manöver dann kaum noch Reaktion zeigt. Wir wollen kein Risiko eingehen.
Ich blicke noch einmal 90 Grad nach Backbord. Nach Norden. Dahin, wo mein Herz liegt. Meine Liebe, mein Sein. Warum tut es nur so verdammt weh? Wo kommt bloß diese verdammte Sehnsucht her? Und warum muss ich bloß so furchtbar sentimental sein?
Ich möchte so gern auf mein Herz hören. Möchte tun, was richtig für mich ist. Was ich tief in mir spüre. Doch ich bin gefangen. Gefangen in einer Welt, die nicht die meine ist. Ich muss zurück. Muss Verantwortung und Verpflichtungen nachkommen. Muss mich selbst verleugnen in einer gefühlskalten und emotionslosen Welt, die ausschließlich aus Fassade besteht.
Bjørnsknude Flak passieren wir im drei Meter Bereich und merken bereits dort, dass wir zu viel kreuzen müssten, um Richtung Lillebælt zu gelangen. Es hat keinen Sinn. Auch wenn es ein schöner Segeltag hätte werden können, sitzt doch die Unsicherheit und ein bisschen Angst im Nacken. Mir fehlt es schlicht an Erfahrung, was die eigene Deutung des Wetters über und vor mir angeht.
Ich bereite alles vor und nehme Lille Bjørn in Schlepp. Es ist kein gutes Gefühl. Für beide Seiten nicht. Doch anderseits ist es gut, dass wir die Möglichkeit haben. Flotille birgt viele Vorteile und gefällt mir gut. Allein und doch ein Stück Sicherheit in der Nähe.
Das Wetter hält sich. Kein Regen, kein Donner. Auch hier: einerseits ärgern wir uns über den verlorenen Segeltag und doch wissen wir, dass es die richtige Entscheidung war. Was, wenn es anders gekommen wäre?
Die Lillebæltsbro kommt in Sicht. Wir entscheiden diesen heutigen Törn alsbald zu beenden und steuern den Hafen von Fredericia an.
Hier bin ich weit ab von jeglicher Seglerromantik. Hier gibt es ausschließlich Industrie und innere Kälte. Nichts regt sich und alles in mir sträubt sich noch bevor ich die Hafeneinfahrt erreiche.
Ich versuche es positiv zu sehen und unter dem Gesichtspunkt der Erfahrung zu verbuchen. Doch bereits beim Einlaufen in die Marina habe ich ein Gefühl im Herzen, dass alles zusammen zieht.
Umgeben von Mauern. Grau und trist. Kein Grün. Keine Seglerromantik. Keine freundlichen Menschen, die lächelnd den Steg betreten. Ich habe das Gefühl, in einem falschen Film gelandet zu sein. Ich gehöre hier nicht hin.
Ich suche nach einem Leckerlie. Nach etwas, was den Aufenthalt angenehm macht. Doch ich finde nichts.
Einzig die Farben am Abend versuchen und und verschaffen so einen winzigen Tropfen Gefühl auf dem heißen Stein.
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