Es ist acht Uhr am Morgen und ich liege noch in der Koje. Gerade eben fiel wieder einmal ein Wolkenbruch über mein Boot herab und hat mich zart klopfend aus dem Schlaf gerissen. Schlaftrunken realisiere ich, dass es bereits morgens ist. Die Nacht war kurz. Ich konnte nicht richtig zur Ruhe finden, denn zu viele Gedanken hielten Nachtschicht und mich somit wach. Ich bin noch immer nicht richtig da, da klopft es wieder. Dieses Mal laut und energisch an meinen Bugkorb. Es ist der Hafenmeister. Bereits gestern Abend hat er, während ich in der Stadt unterwegs war, das Schild in der Box, in der Findus liegt, auf rot gestellt und somit ohne Worte angezeigt, dass ich diesen Liegeplatz bis zehn Uhr am kommenden Vormittag verlassen muss. Nun steht er da im Regen und möchte mich persönlich noch mal darauf hinweisen. Unsanft aus der Koje gerissen, klettere ich also ungelenk ins Cockpit und sage ihm, dass ich gleich weg sein werde, sobald der Regen in ein paar Minuten aufhört.
Ich folge dem Fahrwasser Richtung Süden. Die Strömung geht heute nach unten. Findus ist schnell. Viel zu schnell. Ich möchte eigentlich nicht runter, doch ich weiß einfach nicht, ob es richtig ist, nach Norden zu fahren. Ich ärgere mich über meine Unentschlossenheit und folge weiter dem Fahrwasser. Was ist es, was mich unsicher macht? Wovor genau habe ich Angst? Da ist dieser Druck in mir. Ich muss es richtig machen. Muss die richtigen Entscheidungen treffen. Ich weiß um Himmels willen nur nicht, was die richtigen Entscheidungen sind und die Zeit läuft dabei einfach weiter und nimmt keine Rücksicht auf meine Unentschlossenheit.
Am Ende des Fahrwassers setzte ich die Segel und schalte den Motor aus. Ruhe. Endlich. Es ist trüb und kaum ein Boot mit weißen Segeln ist zu sehen. Dafür ist überall schon wieder Land. Es klingt so furchtbar undankbar, doch ich will hier einfach nicht sein. Ich schaffe es gerade einfach nicht im Hier und Jetzt anzukommen. Mein Herz ist woanders und nicht hier bei der Sache.
Die Karte zeigt ständige Flachwasserstellen an und sobald der Kurs beginnt Spaß zu machen und ich mich dann doch versuche entspannt zurück zu lehnen, muss ich ihn wieder wechseln und eine Wende in die andere Richtung fahren.
Immerhin ist der Wind heute auf meiner Seite. Zwar bin ich gerefft, doch das liegt einfach in der Tatsache begründet, dass ich keine Lust auf tägliches Ein- und Ausreffen habe. Der halbe Knoten und der Schlag extra, weil Findus gerefft eben nicht ganz so viel Höhe laufen kann wie unter Vollzeug, sind mir egal. Ich will einfach nur auf dem Wasser sein und segeln.
Ich möchte allein sein. Nur mit mir. Möchte niemanden sehen, mit niemanden reden. Ich weiß nicht warum das so ist, doch ich fühle mich einfach nicht so richtig kompatibel mit anderen. Ich denke oft so anders und fühle mich nicht zugehörig. Dass das mehr mit mir selbst zu tun hat, dessen bin ich mir sehr wohl bewusst, doch ob und wenn oder wie ich das ändern könnte, das weiß ich nicht.
Vom Weg her täte es nicht Not, doch ich segle die einzelnen Schläge voll aus. Fahre extra so viel Höhe wie es geht, auch wenn ich mit Halbwindkurs dem nächsten Wegpunkt wesentlich dichter käme. In mir zieht sich alles zusammen. Ich will einfach nicht. So lieblich und beschaulich es hier auch ist, ich mag im Moment nicht in der Südsee sein. Ich will hier einfach nicht in den nächsten Hafen einlaufen und wieder auf Menschen treffen.
Ein letzter Schlag nach südost, bevor es ins Fahrwasser von Marstal geht. Ich blicke noch einmal richtig Ostsee. Offene Weite. Oh wie ich dich vermisse.
Nach nur knapp drei Stunden, ist es mal wieder vorbei. Die Segel sind unten und ich fahre in den Hafen. Hier wartet schon ein lieber Freund auf mich. Torben liegt mit seiner PD hier, Marstal ist sein Heimathafen. Er hat sichergestellt, dass ich ohne Suchen zu müssen hier direkt einen Platz bekomme. Ich danke dir Torben, es tut gut zu wissen, dass man Freunde im fremden Hafen hat. Und auch wenn Marstal nicht zu meinen Lieblingshäfen gehört, so werde ich doch mal wieder kommen, damit wir unser Gespräch fortführen können.
Den Rest des Tages verkrümle ich mich in die Natur und gehe vom Badestrand aus rund zweieinhalb Kilometer die Naturlandzunge vor Marstal rum, bis ich auf der anderen Seite des Hafens beim Kalkofen herauskommen. Unterwegs begegne ich keiner Seele und kann meine dabei einfach ihrem Befinden überlassen.
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